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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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war es nicht verwunderlich, dass die Gruppe im Vatikan, die an der Grenze zwischen Orthodoxie und Hete-rodoxie operierte, die sich mit Nachforschungen befasste, die andere in ihrer Ignoranz und ihrem Kleinmut für absurd hielten, aus Jesuiten bestand. Die Wölfe Gottes waren 1970 unter dem Schutz von Papst Paul VI. entstanden. Als nach seinem Tod – und dem kurzen Pontifikat von Johannes Paul I. – Johannes Paul II. den Petersstuhl übernahm, hätte der polnische Papst die Gruppe beinahe aufgelöst. Die Jesuiten waren nicht gerade nach seinem Geschmack, daher löste man das Problem mit Hilfe eines neuen Kopfes. Der erste Präfekt der Wölfe Gottes war ein französischer Baske gewesen, Monsignore Vir-gile Guethary, mit dem das neue Machtzentrum uneins gewesen war. Man ersetzte ihn 1979 durch den Polen Ignatius Franzik, einen energischen, intelligenten und diplomatischen Mann. Es war die Zeit der traditionalistischeren Orden wie Opus Dei, das von Johannes Paul II. zur Personalprälatur erhoben wurde – eine schwierige Zeit für die Jesuiten, doch Franzik wusste zu taktieren. Die Tatsache, dass er ein Lands-mann des Pontifex maximus war, trug nicht unerheblich dazu bei, dass die Wölfe Gottes nicht aufgelöst wurden.
    Von Anfang an beschäftigten die Wölfe sich mit paranormalen Phänomenen. In einem Fall wurde eines ihrer Mitglieder sogar festgenommen, weil es in der Erfüllung seines Auftrags zu weit gegangen war, sich vom Eifer hatte hinwegrei-ßen lassen. Der Mann hatte versucht, sich in den berühmten amerikanischen Militärstützpunkt Area 51 einzuschleichen. Niemand konnte ihn mit dem Heiligen Stuhl in Verbindung bringen, doch die Behörden fanden heraus, dass es sich bei ihm um einen jesuitischen Geistlichen handelte. Der Orden musste sich für seine Freilassung einsetzen, und nur das Wohlwollen höchster politischer Kreise in den Vereinigten Staaten verhinderte einen Skandal und größeres Aufsehen in der Presse, die ihn mit den Fanatikern der UFO-Verschwörung in Verbindung brachte. Auch wenn das, was er gesucht hatte, nichts mit den »kleinen grünen Männchen« zu tun hatte.
    In den neunziger Jahren berieten ehemalige Mitglieder der Wölfe die Produktionsgesellschaft von »Akte X«, allerdings strikt privat. Mehrere Fälle der Serie waren – wenn auch nach entsprechender Bearbeitung – echten Nachforschungen der Wölfe, nicht des FBI, entnommen. Dennoch hielten in Rom viele die Gruppe für eine Verschwendung von Zeit und Geldmitteln. Dabei verdient alles Merkwürdige eine Untersuchung. Just das, was wir nicht kennen, birgt die höchsten Wahrheiten.
     
    Dies dachte Kardinal Franzik, nunmehr ein alter Mann, wäh-rend er in seinem Büro die Durchwahl von Servidio Paesano, dem Präfekten des vatikanischen Geheimarchivs, wählte.
    »Pater Paesano?«
    »Am Apparat«, antwortete eine rauhe Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Hier ist Franzik. Haben Sie den Kodex vorbereiten lassen, wie ich Sie gebeten habe?«
    »Ja.«
    »Danke, dass Sie mir den Gefallen getan haben.«
    »Keine Ursache. Ich hoffe, er hilft Ihnen weiter. Mich hat er ehrlich gesagt immer nur ratlos gemacht.«
    »Verständlich … Aber in Gottes Plan ergibt alles einen Sinn.«
    »Gewiss, Monsignore.«
    Kardinal Franzik legte auf, ließ den Hörer aber noch nicht los. Vor ihm befand sich ein schönes Fresko mit einer Allego-rie der Grazien. Doch das Bild drang nicht weiter als bis zu seinen Netzhäuten. Das Gehirn dahinter löschte diese wie auch jede andere Information, die in diesem Augenblick aus der Außenwelt kam. Dann kehrte alles zur Normalität zurück wie das eingefrorene Bild eines Spielfilms, wenn die Vorfüh-rung fortgesetzt wird. Monsignore Franzik nahm erneut den Hörer ab und wählte eine Nummer aus seinem Adressbuch, das aufgeschlagen vor ihm auf der ledernen Schreibtischunter-lage lag. Es war die Nummer einer Benediktinerabtei in Pa-dua. Der Kardinal wollte mit einem alten Freund und Mentor sprechen, der sich viele Jahre zuvor ins klösterliche Leben zurückgezogen hatte. Der Mann war geradezu unfassbar alt. Mit seinen über hundert Jahren hatte Bruder Giulio Vasari sich seinen klaren Geist bewahrt, auch wenn sein Körper ei-nem irreversiblen Verfallsprozess unterworfen war.
    »Mein Freund!«, rief der Alte mit seiner tiefen, aber unendlich müden Stimme aus, als er Ignatius Franzik am anderen Ende der Leitung erkannte. »Ich bin hier in meiner eigenen Zelle gefangen. Wenn die guten Brüder sich nicht um mich kümmern würden

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