617 Grad Celsius
Abhauen vergessen, die Tür hinter sich zu schließen?«
Anna hatte darüber bereits nachgedacht. »Er war offensichtlich in Panik. Sobald der Stopfen abgeschraubt ist, strömt das Gas mit lautem Rauschen aus der Öffnung. Der Täter wusste vermutlich nicht, wie viel Zeit er hat, bis sich das Gas entzündet. Oder er fühlte sich gestört, vielleicht von dem Kerl, den wir verletzt in den Trümmern des Dachgeschosses gefunden haben.«
»Gibt es Fingerspuren?«, fragte der Staatsanwalt.
»Auf den Teelichtern und auf dem Stopfen der Gaszuleitung gar keine. Abgewischt, würde ich sagen, oder er trug Handschuhe. Auf der Rohrzange befinden sich die Spuren des Toten, aber sie wirken gestellt.« Anna verdeutlichte mit Gesten, was sie beschrieb. Seit ihrem Besuch im daktyloskopischen Labor war sie sich ihrer Theorie sicher. »Die Spuren liegen fein säuberlich auf beiden Schenkeln des Zangengriffs. Als hätte jemand die Finger dort abgerollt. Die linke Hand auf dem einen Schenkel, die rechte auf dem anderen. Aber kein Mensch packt eine Zange auf diese Art, wenn er etwas lösen möchte. Man umfasst beide zwei Schenkel zugleich und presst sie beim Drehen zusammen, um Druck auszuüben.«
Der Staatsanwalt nickte zustimmend.
Anna fasste zusammen: »Jemand hat den Toten in den Keller geschafft und die Türkanten beklebt, um uns in die Irre zu führen. Dann hat er die Teelichter angezündet, den Stopfen der Gaszuleitung abgedreht und schließlich die Finger des Toten gegen die Rohrzange gedrückt. Laut unserem Sachverständigen kann etwa vier bis fünf Minuten später das Haus in die Luft fliegen. Aus irgendeinem Grund war unser Täter nervös und vergaß beim Weglaufen, die Tür zu schließen.«
»Gute Arbeit«, lobte Bach. Michael Lohse rieb sich den Hinterkopf. Als er Annas Blick bemerkte, zeigte er ihr den erhobenen Daumen.
Zuletzt berichtete Anna über ihren Besuch bei Jadranko, dem Verletzten, der aus Bosnien-Herzegowina stammte. Für sie kam er als Täter nicht in Betracht – es war unwahrscheinlich, dass jemand so dämlich war, die Explosion im Inneren des Hauses abzuwarten.
Alle Spekulationen liefen auf Gehring, den Hausbesitzer, zu.
Es wurde beschlossen, das Umfeld des Bauunternehmers zu durchleuchten. Geschäftspartner, privater Umgang. Der Staatsanwalt erklärte, er wolle das Abhören sämtlicher Telefone Gehrings beantragen. Vorerst sollten die Ermittlungen behutsam durchgeführt werden, um den Bauunternehmer nicht zur Flucht zu provozieren. Für einen Haftbefehl reichten die Verdachtsmomente noch nicht aus.
Zudem ordnete Ela Bach die Überwachung von Jadrankos Krankenzimmer an. Der junge Bosnier sollte nicht aus der Uniklinik türmen können.
Gegen Viertel vor eins löste sich die Runde auf. Vor dem Paternoster wartete Becker auf Anna und sagte: »Dein Vortrag hat mir gut gefallen, Luna.«
Sie glaubte ihm kein Wort. Thilo Becker war nicht der Typ, der einen Kollegen lobte. Schon gar nicht eine Frau, die jünger war als er.
Tatsächlich wandte sich der Blonde an Wegmann und äffte Annas Gestik von vorhin nach: »Die linke Hand auf dem einen Schenkel, die rechte auf dem anderen.«
Wegmann kicherte.
Becker zwinkerte Anna zu: »Wir müssen das Thema unbedingt vertiefen.«
Die beiden Kollegen stiegen feixend in die Holzkabine, die sie ratternd nach unten trug.
Die Kommissariatsleiterin winkte Anna zu sich. Ela hatte ihr Handy am Ohr und beendete gerade ein Telefonat. Lohse wartete neben ihr auf der Treppe.
»Was gibt’s?«, fragte Anna.
»Die AFIS-Abfrage wegen des unbekannten Toten«, sagte die Chefin. »Positiv.«
Anna war elektrisiert – der Mann war also in der Fingerabdruckdatei aller Straftäter registriert, die das Bundeskriminalamt führte. Schneller als erhofft stand die Identität des achten Opfers fest.
Bach fragte: »Kümmerst du dich darum?«
Michael Lohse mischte sich ein: »Kann ich dabei helfen?«
Anna musterte ihn. Keine Alkoholfahne, kein Zittern mehr. »Klar«, sagte sie – lieber arbeitete sie mit dem alten Kumpel ihres Vaters zusammen als mit Typen wie Becker.
Sie besorgte sich aus der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle das Ergebnis der Abfrage.
Der Mann hieß Peter Uhlig, geboren am 27. Januar 1949, wohnhaft in Düsseldorf. Der Datenausdruck enthielt eine Kriminalaktennummer – aktenführende Behörde war das Düsseldorfer Präsidium. Gefolgt von Lohse eilte Anna zur Aktenhaltung im dritten Stockwerk und ließ sich den Vorgang aushändigen.
Er stammte aus dem Jahr
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