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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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erlebt: regelrecht aufgeputscht von seiner eigenen Musik und der guten Laune, die sie im Saal auslöste. Den Anzug hatte er mit Lederhose und T-Shirt vertauscht. Seine Ohrringe blitzten im Rampenlicht, er war der Größte auf der Bühne. Haarsträhnen klebten quer auf der verschwitzten Stirn und wirkten wie die Kriegsbemalung eines stolzen Indianerhäuptlings.
    Am Ende des virtuosen Gitarrenlaufs warf er das Instrument in die Luft, Rückkopplungen erzeugten den Eindruck, es spiele von selbst weiter, beim Auffangen jaulte es auf, Sven lachte und die Band setzte wieder ein. Der gesamte Saal sang mit. Ein Glücksgefühl erfasste Anna und hielt an, als der Song verklungen war, das Licht anging und die Musiker von der Bühne verschwanden.
    Sie bemerkte, dass sie angetrunken war. Sven würde sie nach Hause fahren müssen. Sie erinnerte sich wieder, wie verschossen sie mit zweiundzwanzig in den Kerl gewesen war, und fragte sich, wie er reagieren würde, wenn sie ihn auf einen Kaffee in ihre Wohnung einlud.
    Die Konzertbesucher drängten zum Ausgang. Anna suchte die Garderobe. Zuerst verlief sie sich in Richtung Keller, dann fand sie die Musiker in einem fensterlosen Kabuff voller aufeinander gestapelter Stühle. Es war eng und muffig. Anna bemerkte, dass sie nicht die Einzige war, die Groupie spielte.
    Sven reichte ihr ein weiteres Bier. Wortreich lobte sie den Auftritt. Er strahlte, während er die Gitarrensaiten abwischte und das Instrument im Koffer verstaute. Ihr fiel auf, wie zärtlich er es mit seinen kräftigen Händen behandelte.
    Sie plauderten, während er sich den Oberkörper mit einem Handtuch trocknete und ein frisches T-Shirt überstreifte. Es saß knapp und brachte seine Muskeln zur Geltung.
    Anna nahm wahr, dass sich die anderen bereits verzogen hatten. Sie war allein mit Sven.
    »Trainierst du im Fitness-Studio?«, fragte sie und strich über seine Brust.
    Er entgegnete: »Stell dir vor, dieser Maler hat mich angemacht. Daniel. Der Typ ist ein Homo, oder?«
    »Nimm’s einfach als Kompliment.«
    »Ist ein komisches Gefühl, wenn so einer zu flirten beginnt.«
    »Hey, die Luft ist rein.«
    »Wie meinst du das?«
    »Kein Schwuler weit und breit, der dich belästigt. Nur ich«, sagte Anna, packte ihn am Gürtel und zog ihn auf Tuchfühlung. »Und das ist hoffentlich keine Belästigung für dich.«
    Sie küssten sich. Dann sah er zu, was ihre Finger mit ihm machten. Er blieb passiv, aber sein schwerer Atem animierte Anna, immer weiterzugehen, obwohl die Tür nicht abgeschlossen war. Sie wunderte sich über ihre eigene Verwegenheit, als sie mit der freien Hand ihre eigene Hose öffnete und samt Slip nach unten gleiten ließ. Sie dirigierte Sven zu sich heran.
    Plötzlich keuchte er und sein Schwanz pulsierte.
    »Tut mir leid«, stieß er hervor und beeilte sich, die Hose zu schließen.
    »Kann vorkommen«, antwortete Anna und blickte sich nach etwas um, womit sie sich die Finger abwischen konnte.
    Während sie sich nach Svens Handtuch bückte, polterte es hinter ihr – Stühle kippten um und der Gitarrenkoffer krachte gegen den Türrahmen.
    Der Musiker türmte.
    »Sven!«
    Schritte trappelten und entfernten sich. Anna brachte ihre Kleidung in Ordnung und nahm die Verfolgung auf. Sie verstand nicht, warum der Kerl davonlief.
    Wieder verirrte sie sich in den Katakomben des Saalgebäudes. Der Flur endete vor einer vergitterten Kellerluke. Sie lauschte. Draußen rauschten Autos vorbei. Hier drinnen war es still. Keine Schritte mehr zu hören.
    Irgendwo musste es zum Treppenhaus gehen. Anna öffnete eine schwere Stahltür und spürte einen kühlen Luftzug. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Es war stockdunkel. Ringsherum Regale. Eiskaltes Metall.
    Anna erkannte, dass sie in den Kühlraum der Gaststätte geraten war. Sie redete sich ein, dass sie ein großes Mädchen sei, das sich nicht fürchten müsse. Sie tastete nach der Tür.
    Nichts als glatter Stahl. Scharfe Kanten ringsum. Kein Griff.
    »Sven!«, brüllte Anna und trommelte gegen die Tür. »Hilfe!«
    Ihr Herz pochte. Der Atem ging rasend schnell. Sie taumelte und berührte etwas Schweres, weich und klebrig, das nachgab und zurückschwang.
    »Hilfe!« Mit aller Kraft schlug Anna gegen die Tür.
    Niemand kann mich hören, schoss es ihr durch den Kopf. Morgen ist Sonntag. Wie lange kann ein Mensch diese Kälte überleben?
    Plötzlich wurde die Stahltür aufgerissen und zugleich sprangen die Lampen an.
    Eine Kellnerin stand in der Tür. »Warum machen Sie so

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