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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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sehr an seinem Vater.«
    »Sicher wird sich Michael die Arbeiten noch ansehen«, mutmaßte Anna. »Insgeheim ist er genauso stolz auf euren Sohn wie du.«
    »Er könnte Daniel wenigstens finanziell unterstützen. Jetzt im Winter verdiene ich kaum etwas. Gartendesign ist ein Saisongeschäft. Hast du gesehen, wie der Junge hausen muss?«
    »Bald kann er von seiner Malerei leben. Daniel ist tüchtig und hat Talent. Diese Ausstellung ist der Durchbruch, du wirst es sehen.«
    Die ersten Gäste verließen den Kunstverein und Anna bemerkte, dass ihr der Alkohol allmählich zu Kopf stieg. Sie passte Sven ab, als er ebenfalls aufbrechen wollte.
    »Und?«, fragte sie.
    »Was meinst du?«
    »Der Karriereschub.«
    »Die Band ist mir wichtiger.« Sven hielt inne. »Übrigens: Silverhammer hat heute noch einen Auftritt. Lust mitzukommen?«
    »Ich dachte schon, du würdest niemals fragen«, antwortete Anna und hakte sich bei ihm ein. »Dein Auto oder meins?«

28.
    Mai 2005
    Die Räume der Kriminaltechnischen Untersuchungsstelle im zweiten Stock waren wie ausgestorben, sämtliche Beamte draußen an den Tatorten. Sie knipste das Deckenlicht an – vor dem Fenster zogen wieder schwarze Wolken auf und ließen es vorzeitig dämmern.
    Anna wollte nicht auf die Techniker warten. Sie streifte ein Paar Latexhandschuhe über und versuchte, sich an ihren letzten Lehrgang in Spurenkunde zu erinnern. Sie angelte das Adressbuch Uhligs aus der Beweismitteltüte und stäubte den glatten Ledereinband ein. Mit Folie übertrug sie die Abdrücke, die sie fand, auf weiße Karten: sieben teils verwischte Prints verschiedener Größe und Form.
    Sie markierte die Minutien – Verzweigungen und lose Enden der Papillarleisten sowie Inseln zwischen den Linien – und verglich sie mit den Markierungen auf der Karte mit den Abdrücken, die man dem Toten genommen hatte. Bald wusste sie, dass es ausschließlich Uhligs Finger waren, die ihre Spuren auf dem Einband hinterlassen hatten.
    Anna schlug das Buch auf. Liniertes Papier, Eintragungen in verschiedenen Farben und ohne erkennbare Ordnung innerhalb der Buchstabensegmente. Einige waren ausgebessert, manche sogar mehrfach. Das Verzeichnis war offenbar über Jahre geführt worden und enthielt mindestens zweihundert Telefonnummern – reichlich Arbeit für die Mordkommission.
    Frank Gehring, dem das explodierte Haus in der Schützenstraße gehörte, stand nicht darin.
    Unter D fand sie Daniel Lohses Namen und das Todesdatum in roter Farbe: 31. Januar 2003. Die Nummer daneben gehörte zu dem Telefonanschluss in der Hinterhofbude im Stadtteil Unterbilk, wo der junge Maler ermordet worden war.
    Anna stellte fest, dass einige Seiten fehlten – herausgefetzt. In den Abteilungen für K und L hingen nur noch schmale Reste.
    Sie konnte nicht glauben, dass Uhlig selbst die Blätter entfernt hatte. Wenn es der Mörder gewesen war, hatte er Handschuhe getragen.
    Anna brachte das Adressbuch ins Geschäftszimmer und trug Nora auf, es zu kopieren. Die Tür zum Büro der Kommissariatsleiterin war nur angelehnt. Anna klopfte und trat ein, um der Chefin zu berichten.
    Ela Bach hatte sich inzwischen mit Sitte und Organisierter Kriminalität ausgetauscht: keine Erkenntnisse über die drei Frauen, deren Pässe der junge Bosnier mit sich geführt hatte. Aber die Kollegen der OK-Dienststelle interessierten sich brennend für Jadranko. Anna solle sich vor dem nächsten Besuch in der Uniklinik mit dem KK 24 in Verbindung setzen.
    Immer wieder unterbrach das Telefon die Besprechung: Staatsanwaltschaft, Presse, Vorgesetzte aus der Teppichbodenetage des Präsidiums.
    Einen Satz der Adressbuchkopien gab Anna in der Kriminalaktenhaltung ab. Sie bat die Angestellte, per Computer bundesweit abzuklären, ob polizeiliche Erkenntnisse über Uhligs Kontaktpersonen vorlagen – die erste Stufe der Überprüfung.
    In ihrem Büro versuchte Anna erneut, ihren Vater zu erreichen, und hatte endlich Erfolg. Unter der Nummer des Landtagsbüros meldete sich die vertraute Stimme.
    Bevor Anna nach Uhlig fragen konnte, bellte ihr Vater bereits los: »Picasso hat ins Wohnzimmer gepinkelt. Die Putzfrau rief gerade an und beschwerte sich.«
    »Sie muss die Terrassentür auflassen.«
    »Eine Einladung für jeden Einbrecher«, gab Winkler zu bedenken.
    »Bald habe ich eine neue Wohnung.«
    »Schade. Dann ist der alte Mann wieder einsam.«
    »Du bist nicht alt.« Anna wechselte das Thema: »Sagt dir der Name Peter Uhlig etwas?«
    »Da müsste ich mal

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