617 Grad Celsius
Heinemann, du kennst ihn nicht. Sein Vater besaß ein Juweliergeschäft in der Kölner Südstadt. Uwe war stocksauer, als ich mit ihm ging.«
»Aber warum hat sich Papa auf diese Drogengeschichte eingelassen?«
»Warum wohl? Bernd wollte Karriere machen, Geld verdienen. Das hat er ja auch geschafft.«
»Hatte Onkel Uwe ein Verhältnis mit Daniel?«
Ihre Mutter tat, als habe sie die Frage nicht gehört. Unter großen Mühen stand sie auf.
»Wo willst du hin?«
»Am anderen Ende des Parks geht’s ins Dorf. Wenn ich Glück habe, hat die Kneipe geöffnet. Wie gesagt, grauenhafter Schnaps, aber nette Leute.«
»Jo, das kannst du nicht machen!«
»War nur ein Scherz. Ich muss auf die Toilette. Und mir wird kalt.«
Schritt für Schritt führte Anna ihre Mutter in die Klinik zurück. Sie sagte: »Du erinnerst dich doch an Daniel, den Sohn von Michael und Karin Lohse?«
»Natürlich. Wieso soll Uwe etwas mit dem Jungen zu tun gehabt haben? Er ist verheiratet, und das ist gut so. Es ist absurd anzunehmen, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen jage ständig jungen Männern hinterher. Ich stell mir gerade vor, was dein Großvater dazu sagen würde, wenn er noch lebte. Wahrscheinlich würde er sofort zu Uwes nächster Wahlveranstaltung fahren und ihm vor allen Leuten eine Ohrfeige verpassen. Was soll überhaupt die ganze Fragerei?«
»Peter Uhlig ist ermordet worden.«
Für ein paar Sekunden blieb Jo stehen. »Und du bearbeitest das?«
Anna entgegnete: »Hat er Uwe erpresst?«
»Mein Bruder lässt sich nicht erpressen.«
»Wie gut kennst du ihn eigentlich?«
»Gut genug.«
Sie betraten die Klinik. Johanna Winkler hielt inne und sagte: »Weißt du was, Anna-Luna? Du hast mich drei Jahre lang nicht besucht. Jetzt kreuzt du gleich zweimal innerhalb einer Woche auf, um mich Dinge zu fragen, die ich lieber vergessen möchte. Bernd hat mich nur geheiratet, um Teil der verdammten Strom-Familie zu werden. Um an den großen Futtertrog zu kommen und Geld zu scheffeln. Er hat es geschafft, aber der Preis war hoch. Und ich habe alles kaputtgemacht, als ich mich dagegen auflehnen wollte. Ich habe keine Ahnung, ob mein Bruder oder Bernd etwas mit einem der Morde zu tun haben, die du untersuchst. Und ehrlich gesagt, will ich davon gar nichts wissen. Wenn du nur deshalb kommst, dann kannst du mir gestohlen bleiben. Auf Wiedersehen!«
Verblüfft über den aggressiven Ton sah Anna zu, wie ihre Mutter durch das Foyer schlurfte, ohne sich noch einmal umzuwenden. Sie unterdrückte den Impuls, ihr nachzulaufen.
Die Glastür schloss sich. Anna fühlte sich müde, hilflos und leer.
Als sie in ihr Auto stieg, gab ihr Handy Laut.
Es war Bruno Wegmann. »Wo steckst du die ganze Zeit?«
»Hast du mit der Chefin geredet?«
»Ja. Wir beide sollen uns tatsächlich ab sofort um den Fall Daniel Lohse kümmern.«
»Nur zu zweit?«
»Bach macht sich fast in die Hosen beim Gedanken, dass der Ministerpräsident mit drinhängt. Sie will vermeiden, dass die Staatskanzlei Wind davon bekommt.«
Anna startete den Motor. Kies spritzte, als sie beschleunigte. »In vierzig Minuten bin ich da«, sagte sie.
»Wo soll ich anfangen?«
»Beschaff dir die Akten. Geh in den Computer. Such nach Fällen mit ähnlichem Modus Operandi. Frag auch in den benachbarten Bundesländern nach. Niedersachsen, Hessen …«
»Schon gut, in Geografie kenn ich mich aus. Anna, das allein ist Arbeit für Tage!«
Sie brach das Gespräch ab und bog auf die Autobahn. Eine Baustelle zwang sie, das Tempo zu drosseln.
Wieder schrillte der Klingelton.
Ela.
»Wo steckst du?«, wollte die Kommissariatsleiterin wissen. »Und was ist dran an der Geschichte, die Wegmann mir da aufgetischt hat?«
Anna fragte zurück: »Sag mal, hast du heute Morgen meine Mobilnummer an Alex Vogel vom Blitz weitergegeben?«
»Nein, wie kommst du darauf?«
»Schon gut. In einer halben Stunde bin ich im Präsidium.«
Hinter Leverkusen meldete sich zum dritten Mal ihr Handy. Mechanisch griff sie danach und nannte ihren Namen.
Es war die Krankenschwester von der neurologischen Station der Uniklinik. Anna erinnerte sich an die Frau: mollige Oberarme mit Drachentattoos. Die Schwester erklärte, dass Jadranko, der junge Bosnier, reden wollte.
Anna rief ihre Chefin wieder an und bat sie, den Kollegen von der Organisierten Kriminalität Bescheid zu geben.
Dann erreichte sie auch schon die A 46 nach Düsseldorf und kurz darauf die Ausfahrt Universität.
41.
Als sie das Zimmer betrat,
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