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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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verzichtete darauf, die Ordnungstante anzupflaumen.
    Sie fingerte ihr Mobiltelefon hervor und nahm das Gespräch an. »Winkler.«
    Ein hoher Singsang, den jeder im Land kannte: »Anna, ich kann mir denken, warum du mich sprechen willst.«
    »Hallo, Uwe.« Ihr Herz schlug schneller. Ein Satz des Chefredakteurs klang noch in ihrem Kopf: Aber ein paar Wochen später war das Wunderkind tot.
    Der Ministerpräsident sagte: »Sei in einer halben Stunde bei der Fliegerstaffel. Ich muss nach Essen. Unterwegs reden wir. Vor Ort triffst du Bernd. Mit ihm kommst du wieder zurück.«
    Bevor sie antworten konnte, hatte er die Verbindung bereits unterbrochen.
    Seine Worte: Ich kann mir denken, warum du mich sprechen willst.
    Anna stieß aus der Parklücke und geriet auf der Königsallee in einen Stau. Die Minuten verrannen und Anna begann sich zu fragen, wie sie reagieren würde, wenn sie die Wahrheit erfuhr.
    Die Polizeifliegerstaffel des Landeskriminalamts residierte am Rand des Rhein-Ruhr-Flughafens im Norden der Stadt. Anna steuerte zunächst auf das große Zentralgebäude zu, das nach dem Brand vor neun Jahren anstelle der alten Halle errichtet worden war. Vor der Zufahrt zur Abflugebene bog sie ab, passierte einen Parkplatz und folgte der gewundenen Straße in Richtung des ICE-Bahnhofs.
    Zu ihrer Linken reihten sich Cargo-Center, LTU-Verwaltung, Feuerwehr. Dann kam der Flachbau des LKA in Sicht, als letztes Gebäude vor der Wendeschleife an der Bahnstation.
    Anna ließ das Auto vor dem Eingang stehen und eilte durch die Halle, ohne einen Blick für die Skulptur aus rostigen Hubschrauberteilen übrig zu haben, die LKA-Kollegen gebastelt hatten. Auf dem Feld parkten zwei Hubschrauber, die Rotorblätter des dritten wirbelten Sand auf.
    In geduckter Haltung rannte Anna darauf zu. Der Pilot winkte aufgeregt – drei Minuten Verspätung. Anna erklomm die Kabine und schloss die Seitentür.
    Kaum hatte sie Platz genommen, hob der Helikopter auch schon ab. Im Nu wurden die Halle, die Treibstofftanks und die übrigen Hubschrauber kleiner. Die Hangars verschwanden, am Ende der Landebahn blinkten Lampen und gerieten ebenfalls rasch außer Sicht.
    Bänder von weißen und roten Lichtern schoben sich durch den trüben Spätnachmittag, bildeten Schlaufen und kreuzten sich. Der Pilot folgte der A 52. Der kürzeste Weg nach Essen.
    Der Ministerpräsident saß in der vorderen Sitzreihe, gemeinsam mit einem Referenten der Staatskanzlei in ein Redemanuskript vertieft.
    Der Flug dauerte keine zehn Minuten. Der Landeplatz war ein Sportgelände. Hinter dem Fußballtor standen zwei schwarze Limousinen bereit. In einer davon warteten Kollegen in Zivil, die Uwe Strom als Bodyguards begleiteten. Ihr Onkel winkte Anna zum zweiten Wagen. Sie stiegen hinten ein, der Referent vorn beim Fahrer. Mit Blaulicht rasten sie los.
    »Mach dir nichts aus den Schlagzeilen von heute früh«, begann Uwe unvermittelt. »Häng ein Jahr Bosnien dran, und wenn du zurückkehrst, ist alles überstanden.«
    »Das dachte ich bereits beim ersten Mal.«
    »Du hast Zweifel an der Täterschaft dieses Psychopathen?«
    »Klar. Es gibt keine Beweise dafür.«
    »Du kannst den Fall nicht einfach neu aufrollen.«
    »Schon geschehen. Wir arbeiten daran.«
    »Du machst zu viel kaputt, Anna-Luna. Denk an die Gesundheit deines Vaters.«
    »Was hat mein Vater damit zu tun?«
    Das Auto stoppte abrupt. Onkel Uwe riss die Tür auf. Anna folgte ihm. Sie eilten auf einen großen, flachen Betonbau zu. Dürre Ziersträucher, parkende Autos, die Personenschützer flankierten den Ministerpräsidenten. Sechs oder sieben Leute warteten vor einem Seiteneingang. Händeschütteln.
    »Wo geht’s lang?«, fragte Strom.
    Jemand hielt die Glastür auf. Ein kurzer Flur, der vorbei an Toiletten in einen Raum führte, der mit Tischen und Stühlen voll gestellt war. Vorhänge verhüllten die Fenster. Das Neonlicht wirkte kalt.
    »Wo ist Bernd Winkler?«, fragte Strom in die Runde.
    Schulterzucken. Der Ministerpräsident blickte auf die Uhr. Sein Referent begann, leise in ein Handy zu reden – ein aufgeregt wirkender junger Kofferträger mit gegeltem Haar und Brilli im Ohr.
    »Schön, dass Sie die Zeit gefunden haben, heute …«, begann jemand.
    »Wird die Halle voll sein?«, unterbrach ihn Strom.
    Die Leute sahen sich an und nickten. »Wird sich schon noch füllen«, sagte einer und dem Ministerpräsidenten war anzusehen, dass er das für eine schlechte Auskunft hielt.
    »Hast du Winkler erreicht?«, bellte

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