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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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traumhaft für einen Blattmacher wie mich: ein schwuler Ministerpräsident, der gerade erst geheiratet hatte. Das hätte sich für Wochen als Aufmacher auf dem Titel gehalten. In sämtlichen Varianten. Denken Sie nur an die arme Ehefrau, wie sie leidet. Oder an die schreckliche Aidsgefahr!«
    »Ihnen fehlten Belege, stimmt’s? Uhlig war von Rachsucht getrieben. Sie wussten nicht, ob der Mann zuverlässig ist, und letztlich war Ihnen die Nummer zu heiß.«
    »Stimmt. Der Verlagsleitung flatterten die Hosenbeine. Weniger aus Angst vor dem Ministerpräsidenten, sondern weil unsere Leser ihn dermaßen lieben. Wir hätten natürlich schreiben können: unglaublicher Vorwurf, schrecklicher Verdacht …«
    »Aber Uwe Strom ist nun mal keine kleine Polizistin.«
    Der Zeitungsmacher lachte. »Sie gefallen mir. Haben Sie heute Abend schon etwas vor?«
    »Bleiben wir beim Thema.«
    »Ich habe meine Kontakte bemüht, aber das brachte nicht viel.«
    »Wann spielte sich das genau ab?«
    »1996.«
    »Also im gleichen Jahr, in dem man bei Professor Uhlig rechtsextremistisches Zeug fand.«
    »Auch eine schöne Story, die uns immerhin ein bisschen entschädigte. Und danach gab der Kunstfritze erst einmal Ruhe.«
    Anna dachte daran, wie sehr diese Denunziation der Razzia gegen den Popstar Edgar Schwab glich.
    Vogel fuhr fort: »Ein paar Jahre vergingen. Ich recherchierte und hörte mich um, aber Ihr Onkel scheint in Liebesdingen äußerst diskret vorzugehen.«
    »Er liebt seine Frau.«
    »Natürlich.«
    Der Zeitungsmacher verschlang die letzte Kirsche und drückte einen Knopf an seiner Telefonanlage. Die Tür ging auf und die Sekretärin ließ sich blicken. Ihr Boss streckte ihr die leere Schale entgegen.
    Die Blonde holte sie mit einem schiefen Lächeln ab, dabei vorsichtig über die Kirschkerne stelzend, um nicht auszurutschen. Bevor sich die Tür hinter ihr wieder schloss, spuckte Vogel einen Kern hinterher und traf seine Mitarbeiterin am Hintern.
    Dann fragte er: »Haben Sie meine Fotos im Foyer gesehen?«
    »Sie waren das?«
    Vogel strahlte und reckte sein Kinn. »Ich habe in Afghanistan einen Skandal aufgedeckt, der die Republik ins Wanken gebracht hätte.«
    »Aber?«
    »Kein Scheiß. Ich war nah dran. Aber man bot mir den Chefposten in diesem Hause an und ich musste abwägen, auf welche Art ich mehr bewegen kann.«
    »Klar.«
    »Und kaum war ich zurück, da kreuzte besagter Kunstprofessor wieder auf. Diesmal brachte er diesen hübschen, schwulen Bengel mit. Ein Pinselschwinger namens Daniel Lohse und ich dachte, endlich liefert Uhlig mir den lebenden Beleg für das Doppelleben unseres Landesvaters – der Scoop meines Lebens.«
    »Muss eine tolle Aufgabe sein: die Republik ins Wanken zu bringen.«
    »Fast gleichauf rangiert mein Wunsch, mit Ihnen essen zu gehen, Frau Winkler.«
    »Warum klappte es wieder nicht mit dem Scoop?«
    »Schwer zu sagen. Auf einmal war von Sex keine Rede mehr, sondern von einer Affäre um allerlei Schmiergelder, Steuervergehen und Verstöße gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Trockene, langweilige Zahlen. Das Übliche eben.«
    »Immerhin explosiv genug, dass Sie mir nahe legen, den Ministerpräsidenten hinter Daniels Ermordung zu vermuten.«
    »Der hübsche Bengel schien jemanden kennen gelernt zu haben, der sich im Bett verplappert hat. Der über Insiderwissen verfügte und herumprahlte.«
    »Also doch Sex?«
    »Aber nicht mit Strom persönlich.«
    »Worum ging es konkret?«
    »Sie haben den Skandal um die Kölner Müllverbrennungsanlagen verfolgt? Warum die Kölner den Ofen wollten, ist klar. Sie wurden geschmiert. Die unmittelbare Aufsichtsbehörde, nämlich der Regierungspräsident, hielt die Anlage jedoch für überflüssig. Wir haben uns alle gefragt, warum sich der Regierungspräsident nicht durchsetzte. Nach dem Treffen mit Daniel Lohse war mir klar, warum.«
    »Uwe Strom.«
    »Der kleine Lohse sprach von einem System schwarzer Parteikassen, gespeist aus dunklen Quellen, gegen die sich die so genannten jüdischen Vermächtnisse der hessischen CDU ausnehmen wie das Sparbuch für die lieben Kleinen. Haben Sie Kinder, Frau Winkler? Nein, Sie sind unverheiratet. Ich sehe keinen Ring an Ihrer Hand.«
    »Aber Sie tragen einen.«
    »Reine Gewohnheit, hat nichts zu bedeuten. Sie haben den Abend doch noch nicht verplant, oder?«
    »Schweifen wir nicht ab. Daniel kannte also Interna.«
    »Uwe Strom soll dieses System in den Siebzigerjahren aufgebaut haben, in seiner Zeit als Landesgeschäftsführer

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