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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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seiner Partei. Angeblich hält der Geldfluss noch heute an. Provisionen aus dem Verkauf des Waffenarsenals der NVA in den Nahen Osten, zum Beispiel. Zu Beginn der Neunziger war Strom Staatskanzleichef, und wenn die damalige Bundesregierung die Zustimmung der SPD brauchte, lief das über ihn. Sogar von der Steinkohlesubvention wird angeblich etwas abgezweigt. Das muss man sich mal vorstellen! Allein ein Prozent davon wären …«
    »Bei dreieinhalb Milliarden Euro, die erst neulich wieder bewilligt wurden …«
    »Ich staune über Ihre Sachkenntnis, schöne Kommissarin.«
    »Wo lag der Haken?«
    »Ganz einfach: ein angehender Kunstmaler, der nach Ruhm gierte und vielleicht auch nach Streicheleinheiten seines Professors. Aber es blieb bei vagen Andeutungen. Der Bengel forderte eine Riesensumme für weitere Infos. Und als ich die Verlagsleitung endlich an der Angel hatte, machte unser Kunstgenie einen Rückzieher.«
    »Seine Geschichte war erfunden.«
    »Das vermutete ich zuerst auch. Aber ein paar Wochen später war das Wunderkind tot.«
    Das letzte Wort begleitete Vogel mit einem Trommelwirbel seiner Hände auf dem Schreibtisch. Allmählich fand Anna Gefallen an der selbstverliebten Show, die der Zeitungsfritze abzog. Sie machte eine Geste als Aufforderung an ihn, fortzufahren.
    Er sagte: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Daniel Lohse an Strom gewandt hat, weil er sich noch mehr davon versprach. Das war sein Todesurteil. Und wenn wir beide, Sie und ich, das verifizieren, dann haben wir den größten Scoop, den wir uns nur vorstellen können.« Vogel lehnte sich zurück und platzierte seine Edeltreter wieder auf den Schreibtisch. »Was halten Sie davon?«
    »Ich kann nur wiederholen, dass wir den Fall tatsächlich neu bearbeiten.«
    »So billig kommen Sie mir nicht davon, meine Liebe.« Vogel krallte sich die Zeitungsseiten und wedelte damit durch die Luft. »Oder wollen Sie noch mehr dieser Art über sich oder Ihren Vater lesen?«
    »Lassen Sie meinen Vater aus dem Spiel!«
    »Dann geben Sie mir eine Story!«
    Anna stand auf, umrundete Vogels Schreibtisch und riss das große Fenster auf. Ein paar Blätter wehten vom Schreibtisch. Gehupe dröhnte herauf, ein fernes Martinshorn. Ein aufgemotzter Sportwagen röhrte vorbei.
    »Was soll das?«, rief der Chefredakteur, den Straßenlärm übertönend.
    Anna winkte ihn zu sich. Zögernd gehorchte er. Sie beugte sich an sein Ohr und flüsterte: »Ihr Informant Kurt Essig ist ein verdammter Kinderficker. Er hat die halbe Welt bereist, um kleine Jungs zu bumsen. Ich wette, dass es auch in dieser Stadt etwas auszugraben gibt. Beginnen Sie an seiner Schule und Sie bekommen Ihre Geschichte.«
    Plötzlich spürte Anna Vogels Hand auf ihrem Hintern. Sie wischte sie weg und setzte sich. Der Chefredakteur schloss das Fenster – der Lärm war wieder ausgesperrt.
    Vogel strich sich über die Oberarme, als müsse er sich aufwärmen. »Wozu das Theater mit dem offenen Fenster?«
    »Weil irgendwo in diesem Zimmer ein Rekorder steht, der unser Gespräch aufzeichnet. Und wenn ich Ihnen schon etwas anvertraue, dann sollten Sie es zumindest nicht gegen mich verwenden können.«
    »Sie gefallen mir immer besser, meine Schöne.« Er umrundete den Tisch und setzte sich vor Anna auf die Kante, fast auf Tuchfühlung mit ihr. »Was halten Sie von einem Degustationsmenü im Kaiserswerther Schiffchen bei Kerzenschein?«
    »Geben Sie mir Bedenkzeit.« Anna erhob sich. »Bevor ich mich mit einem Journalisten verabrede, will ich mir sicher sein, dass er nett über mich schreibt.«
    Als sie sich im Vorzimmer von der Sekretärin verabschiedete, tönte Vogels Stimme aus der Gegensprechanlage: »Wo bleiben die Kirschen?«
    Die Blonde schüttete Nachschub aus einer Tüte und trug die Schale ins Chefbüro. Anna bemerkte einen kleinen, roten Fleck auf dem Rock der Frau.
    Die Tür blieb offen.
    Anna hielt inne und lauschte, als der Zeitungsmacher zu seiner Mitarbeiterin sagte: »Die dämliche Tussi soll sich bloß nicht einbilden, dass der Hinweis auf einen pädophilen Studienrat genügt, um ihren hübschen Arsch zu retten.«

49.
    Als sie aus dem Verlagsgebäude trat, bemerkte sie eine Knöllchenschreiberin des Düsseldorfer Ordnungsamts neben ihrem neuen Golf. Anna rannte los, doch die Frau in der blauen Uniform klemmte bereits die Bußgeldankündigung hinter den Scheibenwischer.
    Zugleich schrillte Annas Handy in der Jackentasche. Der Regen war stärker geworden. Anna beeilte sich beim Einsteigen und

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