Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes

Titel: 63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ich dich fragen, ob nicht du vielleicht es bist, dem er dieses Opfer gebracht hat?“
    Der Leutnant war außerordentlich bleich geworden.
    „Wie kommst du zu dieser Frage?“ fragte er.
    „Nun, deine ewigen Geldverlegenheiten –“
    Sein Auge war jetzt scharf, fast durchbohrend auf den Neffen gerichtet. Dieser raffte sich in eine feste Haltung zusammen, machte eine möglichst finstere Miene und fragte:
    „Meinst du etwa – ah, das wäre zu stark!“
    „Was?“
    „Daß er mir zuliebe das Geld unterschlagen habe!“
    „Nein, das meine ich nicht.“
    „Es klang aber fast genauso!“
    „Oh, ich bin überzeugt, daß ein Petermann einem anderen zuliebe nicht zum Spitzbuben wird, selbst wenn es sein Herr sein sollte. Eher nehme ich an, daß er sich diesem Herrn zuliebe in die unglückselige Lücke schieben läßt.“
    „Wie meinst du das?“
    „Nun, du hast Geld gebraucht, und –“
    „Und?“
    „Und Petermann hat es nicht unterschlagen!“
    „Nicht? Wer denn?“
    „Du – selbst!“
    Der Leutnant richtete sich stolz auf und rief:
    „Onkel, selbst deine Verwandtschaft gibt dir nicht das Recht, mich in dieser Weise zu beleidigen! Du bist stets gütig gegen mich gewesen; aber machst du mich zum Spitzbuben, so sind wir eben von jetzt an und für alle Zeit geschiedene Leute!“
    „Hm! Das klingt sehr ernsthaft!“
    „Ist es auch!“
    „Wirklich?“
    „Ja. Ein Scharfenberg versteht da keinen Spaß.“
    „Nun wohl! Aber in welcher Beziehung stehst du aber zu jenen verschwundenen fünftausend Gulden?“
    „Wie kommst du denn auf den Gedanken, daß ich zu diesem Geld in irgendwelcher Beziehung stehen soll?“
    „Auf eine sehr natürliche, wenn freilich auch ganz und gar unvorhergesehene Weise. Ist dir der Name Leda bekannt?“
    Dem Neffen war es, als ob er einen Schlagauf den Kopf erhalten habe. Er war ganz verwirrt.
    „Leda?“ stammelte er. „Ist das nicht die Tänzerin?“
    „Es scheint so. Kennst du sie?“
    „Ich habe von ihr gehört.“
    „Sie wohl auch gesehen?“
    „Möglich!“
    „Möglich? Nur möglich?“
    „Ja.“
    „Und dennoch nennst du dich ‚du‘ mit ihr?“
    „Wie? Was? Ich begreife dich nicht!“
    „Ich dich ebensowenig! Eine so gute, intime Bekannte kann man doch nicht nur ‚möglicherweise‘ gesehen haben!“
    „Ich bitte dich um bessere Erklärung!“
    „Hm! Du scheinst doch noch so viel Ehrgefühl zu besitzen, daß es dir widerstrebt, ganz und gar zum Lügner zu werden. Du hast hier bei mir noch keinen Brief empfangen. Weißt du, welche postalische Einrichtung hier in der Anstalt besteht?“
    „Nein.“
    „Nun, der Torposten nimmt sämtliche einlaufenden Briefschaften in Empfang und läßt sie, wer auch immer der Empfänger sei, an mich abliefern. Erst in meiner Expedition wird gesichtet. Die Beamten erhalten ihre Briefe natürlich ungeöffnet; diejenigen der Gefangenen aber werden erbrochen und durchgelesen. Es ist dies eine notwendige disziplinare Maßregel, welche streng eingehalten wird.“
    „Was geht das mich an?“
    „Sehr viel, wie du sofort hören sollst. Mit der ersten Post ist heute ein Brief für dich eingegangen –“
    „Warum erhalte ich ihn nicht?“ fragte der Leutnant schnell.
    „Natürlich kam er zunächst zu mir. Die Adresse lautete: Herrn Leutnant Bruno von Scharfenberg, Landesstrafanstalt Rollenburg. Auf der Rückseite war der Absender oder vielmehr die Absenderin vermerkt: Mademoiselle Leda, Tänzerin, Hotel Kronprinz. – Daraus schließe ich, daß du diese Dame kennst.“
    Dem Neffen schien bei diesen letzten Worten das Herz leicht zu werden. Er holte tief Atem und sagte:
    „Das ist ja doch kein Grund. Sie kann Veranlassung haben, sich in irgendeiner Angelegenheit an mich zu wenden.“
    „Welch eine Veranlassung sollte das sein?“
    „Nun, wenn zum Beispiel ein Verwandter von ihr ganz zufällig in meiner Kompanie stände.“
    „Ach so! Hm! Dann würde sie sich viel besser an den Kompaniechef, also an den Hauptmann, wenden. Aber es ist gar nicht notwendig, uns in ungewissen Vermutungen zu ergehen. Nämlich das Kuvert war nicht mit Gummi versehen, sondern mit Siegellack verschlossen –“
    „Und –?“ fragte der Leutnant erwartungsvoll.
    „Das Siegel war brüchig geworden und der Brief infolge dieses Umstands aufgegangen.“
    Der Neffe wechselte von neuem die Farbe. Er sagte mit möglichst erhobener und nachdrücklicher Stimme:
    „Es hat doch niemand gewagt, den Inhalt aus dem Kuvert zu nehmen und den Brief zu

Weitere Kostenlose Bücher