63 - Der verlorene Sohn 04 - Sklaven des Goldes
du –“
„Als ich zu dem König ging und um Gnade für dich bat.“
„Ich habe davon gehört. Es ist das gleich nach der Verhandlung und der Fällung des Urteils gewesen.“
„Ja. Der König machte mir die bittersten Vorwürfe. Mein Gott, was waren sie gegen diejenigen, welche ich mir selbst dann machte. Aber, lieber Gustav, ich denke, man wartet auf uns.“
„So werden wir wohl gehen müssen.“
„Läßt du dich so sehen, wie jetzt hier?“
„Nein. Die Maske wird wieder angelegt.“
„Sie ist vortrefflich. Ich habe nicht geglaubt, daß man sich so verändern kann.“
„Ich lernte diese Kunst von indischen Gauklern. Hoffentlich, mein süßer Sonnenstrahl, werde ich dich nun öfters hier sehen, da du einmal weißt, wer ich bin.“
„Gewiß, ganz gewiß: Und du mußt auch zu mir kommen! Aber weißt du, Gustav, das Wort Sonnenstrahl ist ein schönes helles, lichtes, und doch schmerzt es mich, wenn du mich so nennst.“
„Warum?“
„Es erinnert mich an meine schweren Versäumnisse. Ja, das Weib soll der Sonnenstrahl sein, welcher das Leben des Mannes erhellt und erwärmt. Du hast so lange, lange Jahre deine Sonne entbehren müssen.“
„Desto heller und goldiger strahlt sie mir jetzt.“
Sie nickte ihm dankbar lächelnd zu, erhob aber dann drohend den Finger und sagte:
„Oder gibt es dort im Osten andere Sonnen?“
„Es gibt allüberall, auf der ganzen Welt nur eine einzige, und das bist du!“
„Und wenn ich das nicht glaubte?“
„Oh, du glaubst es doch!“
„Wenn ich zweifelte, so wärst du allein nur schuld.“
„Wieso?“
„Es war einmal einer bei mir, welcher mir sagte, daß dein Herz schon längst entschieden hätte.“
„Ah! Wer war das? Er war ein Lügner!“
„Das war ein sonst sehr wahrheitsliebender Herr, nämlich Seine Durchlaucht der Fürst von Befour.“
„Ich?“ fragte er erstaunt.
„Ja gewiß! Erinnerst du dich nicht?“
„Nein.“
„Du sagtest, Gustav Brandt sei verheiratet.“
Da schlug er ein herzliches Lachen an und fragte:
„Kannst du dir denken, weshalb ich dies sagte?“
„Nein.“
„Ich wollte beobachten, welchen Eindruck diese Kunde auf dich hervorbrachte.“
„Also ein bloßes Experiment?“
„Ja.“
„Nun, wie war der Eindruck?“
Da nahm er sie in seine Arme, küßte sie innig und antwortete strahlenden Angesichts:
„Es war ein für mich sehr beglückender. Ich erkannte, daß ich dir nicht gleichgültig geworden war.“
„Gleichgültig? Mein Gott! Gleichgültig!“
Sie legte ihm ihre beiden Hände auf die Wangen, zog seinen Kopf zu sich heran und küßte ihn viele, viele Male auf den Mund. Dann fuhr sie fort:
„Siehst du nun, ob du mir gleichgültig bist?“
„Ich sehe, daß du mich liebst, und daß ich einen Himmel finden werde. Welch ein Unterschied zwischen jenem Tag meiner Flucht, an welchem ich dich traf.“
„Du hättest mich getroffen?“
„Ja.“
„Und wo war das?“
„Im Wald. Kurz vor dem Forsthaus.“
„Ich besinne mich nicht.“
„Du warst zu Wagen und ich zu Pferd.“
„Ach, ja, jetzt entsinne ich mich. Aber noch eins: Wie gelang es dir, zu entkommen?“
„Ich wurde von zwei Tannensteinern gerettet.“
„Unmöglich!“
„Ich hätte es auch für unmöglich gehalten.“
„Wer waren sie?“
„Wolf, der Schmied, mit seinem Sohn.“
„Ah, diese! Gott vergelte es ihnen!“
„Ja, auch ich möchte ihnen dankbar sein; aber sie machen es mir leider zu schwer. Gerade jetzt wieder befinden sie sich in Untersuchungshaft.“
„Weshalb?“
„Wegen Pascherei. Ich habe sie bereits einmal gerettet. Zum zweiten Mal aber wird es mir unmöglich sein. Übrigens aber habe ich ihnen gar nicht sehr großen Dank zu zollen dafür, daß sie mich retteten.“
„Wie? Wolltest du nicht gerettet sein?“
Sein Gesicht nahm einen ernsten, ja trüben Ausdruck an, als er antwortete:
„Ich dachte nicht an Rettung, nicht an Flucht. Ich war zum Tode verurteilt. Vater hatte mir, ganz meiner eigenen Ansicht angemessen, verboten, um Gnade anzurufen. Ich wollte sterben. Anstatt des Todes aber gab man mir lebenslängliches, entehrendes Zuchthaus. Ich hätte es nicht überlebt. Die beiden Schmiede erschienen als rettende Gewalten, welche ich nicht herbeigesehnt hatte. Sie befreiten mich, weil sie es mir schuldig waren.“
„Schuldig? Wieso?“
„Sie wußten, daß ich unschuldig war. Sie kannten den Mörder.“
„Woher?“
„Sie müssen sich, während der Hauptmann von Hellenbach ermordet wurde, im Wald
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