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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schnell Rock, Hose und Weste aus schwarzem Tuch und einen hohen Zylinderhut dazu. Eine Krawatte lag auf dem Tisch. Es dauerte doch länger, als er dachte. Da hörte er von der Bibliothek her ein Geräusch wie von Schlägen gegen die Tür. Es war die höchste Zeit.
    „Jetzt zum Fenster hinaus, und sollte ich Hals und Beine brechen!“ entschied er. „Vorher aber die Uniform unter das Sofa, damit sie nicht bemerken, daß ich die Kleider gewechselt habe.“
    Er versteckte die Sachen und öffnete das Fenster. Es war tief bis zur Erde hinab, aber er hätte laut aufjubeln mögen, als er bemerkte, daß der aus starkem Eisen bestehende Blitzableiter gleich neben dem Fenster hinabführte. Er stieg hinaus, zog den Fensterflügel wieder zu und stieg hinab in den Garten. –
    Holm war, wie bereits gesagt, dem Flüchtlinge sehr nahe gewesen. Er folgte ihm an ganz derselben Stelle in das Dorf. Er blickte auf- und auch abwärts, aber der Baron war verschwunden. Es war ihm unmöglich, sein Pferd anzuhalten oder ihm mit dem Halfter eine kurze Wendung zu geben. Es stürmte links hinab anstatt rechts hinaus.
    Da langte auch der Fürst an. Er sah Holm, dachte, daß dieser den Verfolgten vor sich habe, und galoppierte hinter ihm her. Erst am Ende des Dorfes gelang es Holm, den Rotschimmel anzuhalten. Der Fürst erreichte ihn.
    „Wo ist der Baron?“ fragte er.
    „Fort! Ich sehe ihn nicht!“ antwortete Holm, dessen Brust fast atemlos arbeitete.
    „Ich denke, Sie haben ihn vor sich!“
    „Nein. Ich konnte mein Pferd nicht lenken. Er muß aufwärts geritten sein.“
    „Dann schnell zurück!“
    Der Fürst jagte das Dorf hinauf. Holm brachte nur mit Mühe sein Pferd herum; dann aber rannte es freiwillig dem anderen nach.
    Sie erreichten jetzt das obere Ende des Ortes, erblickten aber auch da keinen Reiter.
    „Er muß da hinüber sein“, meinte Holm, „da, wo das große Gebäude steht.“
    „Oder hat er eine Finte gemacht?“
    „Wieso?“
    „Er ist in das Dorf geritten, hat uns herankommen lassen und ist dann einfach auf demselben Weg wieder umgekehrt. Es ist ihm zuzutrauen.“
    „Unmöglich ist es allerdings nicht. Wenn er den Wald zwischen sich und uns bringt, hat er gewonnen. Aber, halt, dort am Gebüsch arbeiten Leute. Wollen wir sie fragen?“
    „Ja. Ist er nach jener Richtung geritten, so müssen sie ihn unbedingt gesehen haben.“
    Sie kamen bis an die Arbeiter, und Holm fragte:
    „Haben Sie vielleicht einen Reiter gesehen?“
    „Ja, Herr.“
    „Beschreiben Sie ihn!“
    „Ein Offizier, Leutnant, auf braunem Pferd.“
    „Jawohl. Wo ist er hin?“
    „Da nach dem Schloß. Er fragte nach dem Herrn.“
    „Wie heißt dieser?“
    „Der Herr Major von Scharfenberg.“
    „Ah, der Vater des Leutnants gleichen Namens?“
    „Ja.“
    „Ist er auf dem Schloß anwesend?“
    „Er ist daheim!“
    „Schön! Vorwärts!“
    Sie hatten wohl eine Viertelstunde verloren; diese Zeit war nun nicht wieder einzubringen.
    Als sie in den Schloßhof gelangten, kam ihnen derselbe Diener entgegen, welcher dem Baron das Pferd abgenommen hatte.
    „Ist ein Offizier zu Pferde hier angekommen?“ fragte der Fürst.
    „Nein, meine Herren.“
    „Ah, so ist er also vorübergeritten!“
    Er drehte bereits sein Pferd herum, um den Schloßhof wieder zu verlassen, da meinte der Diener unter einem listigen Lächeln:
    „Da haben die Herren nun wohl die Wette verloren?“
    Sofort kehrte der Fürst sich ihm wieder zu und fragte:
    „Welche Wette?“
    „Nun, mit dem Braunen?“
    „Haben Sie denn ein braunes Pferd gesehen?“
    „Hm!“
    Der Fürst ahnte eine Teufelei und sagte dringlich:
    „Mann, sagen Sie um Gottes willen die Wahrheit! Es handelt sich nicht um eine Wette. Man scheint Ihnen eine Lüge gesagt zu haben. Wir verfolgen einen großen Verbrecher, der aus der Gefangenschaft entwichen ist. Er trägt Leutnantsuniform und reitet einen Braunen.“
    Da erschrak der Mann.
    „Herrgott! Einen Verbrecher?“ fragte er.
    „Ja, den berüchtigten Hauptmann, den Pascherkönig, welcher aus dem Gefängnis ausgebrochen ist.“
    „Mein Heiland, was habe ich getan!“
    „Was denn? War er hier?“
    „Ja freilich! Er fragte nach dem Herrn, und ich habe ihn auch wirklich zum Herrn Major gewiesen.“
    „Wo befindet sich dieser?“
    „Eine Treppe hoch in der Bibliothek.“
    „Wo ist das Pferd des Offiziers?“
    „Dort im Stall.“
    „Geben Sie es ihm auf keinen Fall wieder! Es gehört mir, er hat es mir gestohlen. Rufen Sie schnell alle vorhandenen

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