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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Elends?“
    „Ja, gnädiger Herr!“
    „Und doch dachte ich, der Hauptmann sei es gewesen! Hast du diesen letzteren nicht gesehen?“
    „O doch!“
    „Nicht wahr, er kam zu mir?“
    „Ja.“
    „Ah, so habe ich doch nicht geträumt. So hat er mir also doch von meinem Sohn erzählt. Joseph, wir werden jetzt schleunigst abreisen.“
    „Wohin, gnädiger Herr?“
    „Nach der Residenz. Ich muß mit meinem Sohn sprechen.“
    „Aber Sie sind unwohl, Herr Major.“
    „O nein; ich befinde mich wohl. Aber mein Sohn muß sich wegen eines amerikanischen Duells erschießen, und das darf ich nicht dulden.“
    „Ist das wahr, gnädiger Herr?“ fragte der treue Diener, auf das tiefste erschrocken.
    „Ja, der Hauptmann hat es mir erzählt. Laß anspannen. Wir fahren nach der Bahn.“
    Der Diener widersprach jetzt nicht mehr. Er hatte keine Ahnung, in welch gefährlichem Zustand sich sein Herr befand. Die Angst vor dem amerikanischen Duell ließ ihn jede Rücksicht für den alten Herrn vergessen. Er bestellte den Wagen, kleidete den Major zur Reise an, und dann fuhren sie ab, um den nächsten Zug zu erreichen. –
    Die Kunde, daß der Leutnant von Scharfenberg arretiert worden sei, hatte sich bereits am Morgen in der Residenz verbreitet. Am Vormittage war der Adjutant des Gouverneurs bei dem Untersuchungsrichter erschienen, um auf die Auslieferung des Offiziers zu dringen, hatte aber, als er über die Gründe von dessen Arretur unterrichtet worden war, sein Verlangen zurückgenommen und sich in tiefer Niedergeschlagenheit entfernt.
    Am Nachmittag hatte der Leutnant sein erstes Verhör zu bestehen gehabt, doch war er zu keinem Geständnis zu bewegen gewesen. Gegen Abend nun schickte er den Schließer zu dem Staatsanwalt und ließ diesen um eine Unterredung ersuchen. Der Beamte begab sich augenblicklich zu ihm.
    Scharfenberg erwartete ihn, inmitten seiner Zelle stehend.
    „Verzeihung, Herr Staatsanwalt, daß ich Sie belästige“, sagte er. „Ich habe über meine Lage nachgedacht und bin zu der Ansicht gekommen, daß es Unsinn ist, den Unschuldigen zu spielen. Ich bin bereit, ein offenes Geständnis abzulegen, wenn Sie mir eine kleine Konzession machen.“
    „Welche meinen Sie?“
    „Ich möchte noch einmal in meine Wohnung zurück.“
    „Warum?“
    „Es gibt dort einiges verwahrt, was ich dem Richter zu übergeben habe.“
    „Sagen Sie mir den Ort, so werde ich die Gegenstände holen lassen.“
    „Der Aufbewahrungsort ist derart, daß nur ich ihn öffnen kann.“
    „Hm! Ich habe eigentlich nicht die Macht, Ihnen diese Bitte zu erfüllen. Ich habe alle Folgen, welche daraus entspringen, zu verantworten.“
    „Die Folgen werden nur in meinem offenen Geständnisse und in meiner Verurteilung bestehen.“
    „Gewiß? In weiter nichts?“
    „Gewiß in weiter nichts.“
    „Sie werden keinen Fluchtversuch machen?“
    „Nein.“
    „Es widerstrebt mir natürlich, Sie gefesselt oder unter auffälliger Bedeckung gehen zu lassen. Doch haben Sie bei Ihrer Gefangennahme zur Waffe gegriffen!“
    „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich nicht den mindesten Versuch, mich der Bestrafung zu entziehen, beabsichtige oder machen werde.“
    „Ich glaube Ihnen, kann aber diese Sache nicht allein auf mich nehmen. Ich werde mit dem Herrn Gerichtsrat sprechen.“
    „Ah, das ist mir unlieb.“
    „Warum?“
    „Es steht zu erwarten, daß die Entscheidung dieses Herren sich in die Länge ziehen wird.“
    „O nein. Ich gehe augenblicklich zu ihm und hole mir die Antwort. Stimmt er bei, so sollen Sie sich in kurzer Zeit in Ihrer Wohnung befinden.“
    „Ich danke Ihnen.“
    Der Staatsanwalt verließ ihn, und der Gefangene schritt in düsterer Erwartung in seiner engen Zelle hin und her. Bereits nach einer Viertelstunde kam der Wachtmeister und brachte ihm seinen Hut und Überrock.
    „Ah, man erfüllt mir also meine Bitte?“ fragte der Leutnant.
    „Ich weiß von nichts. Ich habe Sie mit Hut und Überrock zum Herrn Staatsanwalt zu bringen.“
    Er folgte dem Beamten. Im Zimmer des Anwalts fand er diesen letzteren und den Assessor von Schubert, beide zum Ausgehen bereit.
    „Herr Leutnant, Ihr Wunsch ist erfüllt worden“, sagte der Staatsanwalt. „Man will auch davon absehen, Sie mit niederen Polizeiorganen zu belästigen, und so sind wir beide im Begriff, Ihnen unsere Begleitung anzutragen.“
    „Ich bin Ihnen sehr dankbar und stehe zur Verfügung.“
    „Ich werde sogleich nach einem Wagen schicken.“
    Der Leutnant schüttelte

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