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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verlängern. Gibt es gar keine Hoffnung?“
    „Ich kann nicht in das Innere des Menschen sehen. Jedenfalls dürfen wir ihn nicht hier liegen lassen. Aber wohin hier in dieser Waldesöde?“
    „Oh, Herr Doktor, wir haben gar nicht sehr weit nach einer Wohnung“, bemerkte der Oberförster.
    „Wo?“
    „Kaum zehn Minuten von hier wohnt ein Kohlenbrenner, welcher Hendschel heißt.“
    „Was ist er für ein Mann?“
    „Blutarm, aber ehrlich.“
    „Gut, versuchen wir es, den Verletzten bis dorthin zu bringen. Man mag eine Trage verfertigen.“
    „Nehmen wir dazu die Gewehre und einige Mäntel“, sagte der Hauptmann. „Wenn wir recht vorsichtig verfahren, wird er uns hoffentlich nicht unterwegs sterben.“ –
    Der Köhler war des Morgens in den Wald gegangen, um den neuen Meiler anzurichten, von welchem er gestern gesprochen hatte. Seine Frau erwartete ihn nicht für heute, sondern erst am nächsten Vormittage zurück. Sie saß strickend am Tisch und sprach mit dem Vetter, welcher trübselig neben ihr saß.
    „Mein Mann hat recht“, sagte sie. „Du mußt nach Hause zu den Deinigen.“
    „Und wenn ich komme, arretiert man mich“, warf er ein.
    „Das glaube ich nicht. Bist du steckbrieflich verfolgt?“
    „Nein.“
    „Sucht die Polizei nach dir?“
    „Auch nicht. Aber ich denke, die Polizei ist sehr pfiffig. Sie tut ganz so, als ob Gras über die Geschichte gewachsen sei, und wenn ich dann komme, so nimmt sie mich beim Kragen.“
    „Versuche es doch wenigstens.“
    „Wenn sie mich festnimmt, war's kein Versuch, sondern eine großartige Dummheit.“
    „Aber du kannst doch nicht immer so versteckt bleiben.“
    „Das ist freilich wahr; ich werde auf diese oder auf eine andere Weise in den sauren Apfel beißen müssen. Ich wollte, der Teufel hätte diesen Baron geholt, ehe ich ihn zu sehen bekam. Er ist mein Unglück!“
    „Sei einmal ehrlich! Nicht wahr, dieser Hirsch war kein anderer als der Baron von Helfenstein?“
    „Na, er ist jetzt fort, und ich will es also ruhig gestehen: Ja, er war es!“
    „Nun denke dir einmal, in welche Gefahr du uns dadurch gebracht hast! Wenn man ihn bei uns gefunden hätte!“
    „Es ging nicht anders; es war – ah, was muß denn da los sein? Gewiß ist etwas geschehen!“
    Er war eilig an das kleine Fenster getreten.
    „Was ist's denn?“ fragte sie schnell und besorgt.
    „Der Vetter kommt.“
    „Mein Mann?“
    „Ja, da drüben aus den Fichten heraus.“
    Die Alte eilte auch an das Fenster, um hinauszublicken.
    „Ja, da ist etwas geschehen“, sagte sie erschrocken, „und zwar nichts Gutes. Ich kenne seine Mienen.“
    Sie eilte hinaus, öffnete die Haustür und rief ihm entgegen:
    „Um Gottes willen, Alter, was ist passiert? Du siehst ja wie das reine Unglück aus!“
    „Hinein, hinein!“ befahl er ihr.
    Dann, als er selbst die Tür hinter sich zugemacht hatte, sagte er, vom schnellen Laufen laut atmend:
    „Ja, es ist ein Unglück! Sie haben ihn.“
    „Herrgott? Wen denn?“
    „Den Hauptmann, den Hirsch.“
    „Wer hat ihn denn?“
    „Die Soldaten.“
    „Ist denn Militär im Wald?“
    „Ja. Ich sprach doch gestern abend schon davon. Aber ich dachte freilich nicht, daß es so schnell gehen würde.“
    „Woher weißt du es denn?“
    „Ich habe es selbst gesehen mit meinen eigenen Augen. Ich war eben daran, den Grund für den Meiler zu graben, da drüben, jenseits der breiten Schlucht; da hörte ich aus der Ferne einen gräßlichen, einen entsetzlichen Schrei, wie ihn nur ein Mensch in der höchsten Todesnot auszustoßen vermag. Das schien mir von der Gegend der Felsenplatte zu kommen. Ich sprang also aus dem Wald heraus, nach der Richtung hin, die wir vor zwei Jahren geschlagen haben, und richtig, da sah ich drüben unter dem Felsen sich etwas bewegen.“
    „Wer ist das gewesen?“
    „Höre nur! Natürlich war irgendwer verunglückt, von der Platte gestürzt; ich mußte hin. Du kennst den Weg. Man geht von dem Meiler aus hinab, hinauf und noch zweimal hinab und hinauf, dreimal über das reißende Wildwasser weg.“
    „Mein Gott, Alter, das ist lebensgefährlich für dich! Das Wasser hat ja die Brücke fortgerissen!“
    „Ich mußte aber dennoch hin! Das ging freilich sehr langsam. Es mochte über eine halbe Stunde vergangen sein, als ich endlich die letzte Höhe erreicht hatte und nun unter den Fichten nach dem Felsenabsturz hineilte. Eben wollte ich unter den Bäumen heraus auf die kahle Steinfläche, da hörte ich ein Krachen wie von einem

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