64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Kerl kam mir verdächtig vor; ich beschloß also, ihm die Wahrheit nicht zu sagen. Hoffentlich war das richtig!“
„Ganz richtig!“
„Ich sagte ihm also, daß von Militär keine Spur vorhanden sei, ebensowenig von Forstbeamten, nach denen er fragte.“
„Können Sie sich genau auf sein Äußeres besinnen?“
„Sehr genau.“
„Alter?“
„Ungefähr wie ich.“
„Statur?“
„Grad wie die meinige.“
„Sapperment! Kleidung?“
„Schwarzes Tuch, moderner Schnitt!“
„Ah! Das ist der Anzug, welchen er bei dem Herrn von Scharfenberg entwendet hat. Wie lange ist es her, seit Sie mit ihm gesprochen haben?“
„Ungefähr eine halbe Stunde.“
„Wo war es?“
„Wenn man auf dem Weg, den ich hier gekommen bin, zurückgeht, so gelangt man in einen Grund, welcher sich lang und breit nach links zieht, rechts aber steigt ein Fels fast gerade in die Höhe. Da war es. Da mir der Mensch auffällig war, blieb ich hinter den Bäumen stehen, um zu sehen, wohin ergehen werde.“
„Recht so, recht so! Wohin ging er?“
„Er kletterte an der beschriebenen Höhe empor.“
„So wissen wir also doch die Richtung. Herr Kamerad, wenn Sie den Kerl festgehalten hätten!“
„Was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Vorwitz!“
„Aber es war ja ganz sicher der, welchen wir suchen.“
„Herr Leutnant, bitte, nicht ich suchte ihn!“
„Das ist freilich wahr. Aber es sind fünfzehntausend Gulden auf seine Habhaftwerdung gesetzt.“
„Ich bin reich genug. Aber – hm, da fällt mir ein Umstand ein, auf welchen ich, als er so vor mir stand, keinen Wert legte.“
„Welcher?“
„Seine Kopfbedeckung hatte sich verschoben –“
„Er hatte natürlich schwarzes Haar, grad wie Sie?“ fiel der Offizier schnell ein.
„Hm! Er trug blondes Haar, aber unter demselben schien er schwarzes zu haben. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß er eine Perücke getragen hat.“
„Er ist es, er ist es ganz sicher! Adieu, Herr Kamerad! Sie sehen, meine Leute sind längst voraus. Ich muß eilen, daß ich nachkomme. Also Pardon wegen der Belästigung! Ich hatte sie nicht verschuldet!“
Er eilte weiter. Der Baron holte tief und erleichtert Atem und machte sich dann rasch von dannen.
Der Offizier erreichte seine Leute binnen kurzer Zeit. Er gehörte mit dem Zug, welchen er befehligte, zu der militärischen Truppe, welche den Wald zu durchforschen hatte. Seine Leute bildeten eine zusammenhängende Doppellinie. Er zog sie jetzt mehr zusammen und dirigierte sie auf dem angegebenen Weg vorwärts. Er war so voller Eifer, als ob er den Hauptmann bereits vor sich habe.
Als er den Grund erreichte, befahl er seine Leute zu sich und teilte ihnen mit:
„Hier, rechts, ist er hinaufgeklettert. Wir nehmen also die Höhe. Wir werden zwar die Fühlung mit den anderen für kurze Zeit verlieren, aber hoffentlich bleibt uns dann der Ruhm vorbehalten, den Flüchtling ergriffen zu haben. Also einzeln und dann die Höhe empor, so weit es geht.“
Es wurde gehorcht. Die Leute klommen empor, langsam und hinter jeden Busch spähend. Der Korporal befand sich an der Seite des Leutnants. Plötzlich ergriff der erstere den letzteren ganz respektwidrig beim Arm, hielt ihn zurück und raunte ihm zu:
„Halt! Ich sehe einen Menschen.“
„Wo denn?“
„Dort, da oben, hinter dem Busch kauert er.“
Der Offizier folgte mit seinem Auge der angedeuteten Richtung und erkannte allerdings etwas Dunkles, was sich hinter dem Busch versteckt zu haben schien.
„Sollte es wirklich ein Mensch sein?“ flüsterte er.
„Ganz gewiß.“
„Dann ist er es wahrscheinlich.“
„Ganz sicher ist er es! Er hat nicht weiter fliehen können. Der Fels wird ja zu steil. Unsere Leute klettern in einem Halbkreis empor. Offen kann er gar nicht entkommen. Nun versucht er, sich zu verstecken.“
„Also darauf zu!“
„Er wird bewaffnet sein, Herr Leutnant.“
„Alle Teufel. Das ist richtig. Schießt er uns beide nieder, so entsteht eine Lücke, durch welche er ganz leicht entkommen kann. Avancieren wir also zunächst nur so weit, bis wir deutlich sehen, daß es ein Mensch ist!“
Sie stiegen langsam weiter. Bereits nach wenigen Schritten blieb der Offizier halten und fragte:
„Sehen Sie die Beine?“
„Ja.“
„Er kann sie nicht genug an sich ziehen. Es ist also ein Mensch. Avisieren wir unsere Leute!“
Ein lautes Kommandowort genügte, um die Soldaten auf den betreffenden Punkt aufmerksam zu machen.
„Wer da?“ fragte nun
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