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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zeichen, daß nichts zu befürchten war. Er trat aus seiner Ecke vor und half das Bett aufstellen. Das ging so rasch vonstatten, daß die drei fertig waren, als der Verletzte gebracht wurde. Als der Zug von weitem zu sehen war, sagte der Obergendarm zu dem Köhler:
    „Haben Sie eine Ahnung, wen wir bringen?“
    „Nein.“
    „Aber Sie wissen, wen wir suchen?“
    „Auch nicht.“
    Der Gendarm machte ein ungläubiges Gesicht, aber der Oberförster nickte mit dem Kopf und sagte:
    „Ja, grad so ist der alte Hendschel! Er arbeitet still und fleißig; er tut seine Pflicht und bekümmert sich um weiter gar nichts in der Welt. Hören Sie, Alter, haben Sie denn gar nichts vom Waldkönig gehört?“
    „Von dem? O ja, ein paar Mal.“
    „Und vom Hauptmann?“
    „Ja. Auf dem Jahrmarkt sagten sie, das soll ein- und derselbe sein, Herr Oberförster.“
    „So ist es auch. Vorhin haben wir ihn gefangen.“
    „Was Sie sagen!“
    „Ja. Er ist von der Felsenplatte gestürzt und wird es wohl nicht überleben. Er kann nicht reden, er sieht ganz schrecklich aus. Da, seht!“
    Eben wurde die Stubentür geöffnet, und der Verunglückte wurde hereingebracht und unter Anleitung des Arztes ausgezogen und ins Bett gelegt.
    Die Bewohner der Hütte zogen sich in die äußerste Ecke zurück; der Oberförster verabschiedete sich, die Offiziere arrangierten draußen ein Biwak und am Bett nahmen nur der Arzt und der Obergendarm Platz, um den Patienten nicht aus den Augen zu lassen.
    „Schrecklich, schrecklich!“ flüsterte der Köhler seiner Frau zu. „Hast du sein Gesicht gesehen?“
    „Ja, Vater.“
    „Er ist gar nicht zu erkennen.“
    „Ganz unmöglich!“
    „Ich glaube nicht, daß er es überleben wird.“
    „Er muß ja bereits eine Leiche sein! Horch!“
    Der Arzt und der Obergendarm sprachen halblaut miteinander. Der letztere fragte den ersteren:
    „Nun, können Sie jetzt etwas Bestimmtes sagen?“
    „Vielleicht, wenn ich auch nicht behaupten will, daß es gar nicht anders sein könne. In solchen Fällen läßt sich kein absolutes Urteil aussprechen.“
    „Nun?“
    „Ich hoffe, daß wir ihn erhalten.“
    „Ah! Das wäre höchst erwünscht.“
    „Ja. Das Herz ist in Tätigkeit, die Lunge auch. Lägen da Verletzungen vor, so hätte längst eine innerliche Verblutung stattgefunden.“
    „Meinen Sie?“
    „Ein Gliederbruch liegt auch nicht vor. Nur das Gehirn scheint bedenklich erschüttert zu sein, sonst wäre er während des Transports erwacht. Er ist die Felsen hinaufgeschafft worden und wieder hinab, das hätte einen, der nicht in dieser Weise betäubt ist, die entsetzlichsten Schmerzen verursacht. Die Zunge werde ich sogleich in Behandlung nehmen. Sie wird um so eher heilen, je länger er in Unbeweglichkeit und Betäubung verbleibt.“
    „Wann kann er erwachen?“
    „Heute oder auch erst nach Wochen.“
    „O weh! Im letzteren Fall müssen wir ihn von hier fortschaffen.“
    „Das kann ich nicht gestatten.“
    „Ah! Warum?“
    „Es muß uns daran liegen, sein Leben zu erhalten. Leider ist das Leben eines solchen Verbrechers – möchte man sagen – viel mehr wert als dasjenige jedes ehrlichen Menschen. Wenigstens muß der Kriminalist so denken.“
    „Natürlich denke ich ebenso.“
    „Jede Ortsveränderung aber kann tödlich sein.“
    „Aber wie ist es möglich, ihn hierzulassen?“
    „Fürs erste wird er nicht entfliehen. Darauf können Sie tausend Eide schwören.“
    „Und dennoch muß er in strengste und unausgesetzte Bewachung genommen werden!“
    „Dagegen habe ich nicht nur nichts einzuwenden, sondern ich empfehle es sogar angelegentlichst an.“
    „Wie aber ihn hier bewachen?“
    „Das ist Ihre Sache, oder vielmehr diejenige des betreffenden Staatsanwalts.“
    „Sollen wir ihn mit Ketten schließen?“
    „In diesem Zustand? Unmöglich!“
    „Einen Gefängniswärter an sein Bett setzen?“
    „Meinetwegen!“
    „Oder Militärposten um das Haus legen?“
    „Das wäre das beste. Jedenfalls ist ärztliche Behandlung jetzt das allernotwendigste. Meine anderweitigen Pflichten erlauben mir nicht, hier auszuharren; aber ich bin der Ansicht, daß ein tüchtiger Arzt nur allein für ihn beschafft werden muß. Derselbe hat hierzubleiben und hier zu wachen, bis das Leben des Kranken außer aller Gefahr ist. Ich aber muß heute noch fort.“
    „So wird es geraten sein, zu telegrafieren.“
    „Ja. Telegrafieren Sie nach der Residenz, meinetwegen direkt an den Justizminister, nach

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