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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fragte:
    „Wohl der Geiger?“
    „Erraten!“ meinte der Polizist verwundert.
    „Das ist keine Kunst. Ich sah ihn einsteigen. Seine Haltung war eine so gezwungene, daß ich gleich erkannte, daß die Person imitiert sei. Hast du ihn erkannt?“
    „Ja. Der Agent ist es.“
    „Er hat den Finger?“
    „Ja. Das ist zu dumm!“
    „Allerdings. Aber es fragt sich, ob nicht doch auch der Hauptmann da ist. Vielleicht in einem anderen Coupé.“
    „Möglich kann es sein.“
    „Wüßten wir, daß er nicht dabei ist, so könnten wir gleich hier zurückbleiben. Aber wir müssen es doch abwarten. Wenn dich der Geiger auf dem Ankunftsbahnhof anredet, so ist der Hauptmann nicht da. In diesem Fall ist uns die Expedition verdorben.“
    Es läutete und sie stiegen wieder ein. Als sie das Ziel erreichten und ausgestiegen waren, blieb Adolf wartend stehen. Niemand kam. Aber neben ihm stand der Geiger, der ebenso tat, als ob er jemand erwarte. Aber als er sah, daß die Passagiere sich entfernten, so daß niemand seine Worte hören konnte, sagte er:
    „Sie erwarten wohl jemand, mein Herr?“
    „Nein“, antwortete Adolf, „sondern ich glaubte, erwartet zu werden.“
    „Von einem Bekannten?“
    „Was geht das Sie an?“
    „Vielleicht doch mehr, als es scheint. Ich erlaube mir, Sie zur Tat hier willkommen zu heißen!“
    „Donnerwetter!“ meinte der Polizist, scheinbar überrascht, „Sie sind es? Sie?“
    „Ja, wenn Sie erlauben.“
    „Sie sind also der Hauptmann?“
    „Natürlich!“
    „Aber warum diese Geige?“
    „Das gehört zur Verkleidung. Aber wir können hier doch nicht stehenbleiben. Kommen Sie herein nach der Stadt!“
    „Meinetwegen! Es ist noch zu früh zum Handeln. Was tun wir unterdessen?“
    „Wir kneipen ein und machen ein Spielchen. Vorwärts!“
    Sie gingen. Adolf bemerkte, daß er von dem Fürsten, welcher auf dem Perron stehengeblieben war, beobachtet wurde. Er zog also sein Taschentuch hervor, wischte sich das Gesicht und steckte es dann in die linke Tasche seines Rockschoßes. Das war das Zeichen, daß die heutige Expedition allerdings mißlungen sei.
    Der Fürst überlegte, ob er gleich hier auf den nächsten Zug warten oder sich nach dem Gerichtsgebäude begeben solle, um mit dem Amtmann über die beiden Schmiede zu sprechen. Da bemerkte er mehrere Personen, welche vor einem an die Ecke angeklebten Plakat standen und dabei so augenfällig debattierten, daß ein wichtiges Ereignis zu vermuten war. Er ging hin und las:
    „Heute früh elf Uhr sind die beiden aus Tannenstein gebürtigen Schmiede Wolf, Vater und Sohn, unter erschwerenden Umständen während des Verhörs aus dem Fenster des Verhörzimmers entsprungen. Auf die Ergreifung derselben wird hiermit ein Preis von 300 Gulden gesetzt. Signalement wie folgt.“
    Nämlich am Vormittag bei Beginn der Expeditionszeit war der Amtmann zu dem Aktuar gekommen, welchem die Untersuchung gegen die Schmiede anvertraut war, und hatte ihm unter finsterem Kopfschütteln ein Aktenstück mehr hingeworfen als hingelegt.
    „Ich habe Einsicht genommen“, sagte er. „Wie lange Zeit gedenken Sie diese Sache noch hinzuschleppen?“
    Der Aktuar war erschrocken; er antwortete:
    „Entschuldigung! Ich glaube, nichts versäumt zu haben. Die Kerls gestehen eben nichts!“
    „Das ist keine Entschuldigung. Sie haben ja Indizien genug in den Händen, mit denen Sie die Angeklagten förmlich erdrücken können!“
    „Sie sagen, daß sie sich zum Scherz verkleidet hätten. Was kann ich dagegen tun?“
    „Pah! Es gibt in den Aussagen der beiden genug Punkte, in denen sie sich widersprechen. Das sind Handhaben, bei denen Sie sie fassen müssen. Warum konfrontieren Sie die beiden nicht?“
    „Ich glaubte die Untersuchung noch nicht reif genug dazu. Es kann zu nichts führen.“
    „In der jetzigen Weise bringen Sie die Reife niemals zustande. Ich hoffe, daß das anders wird!“
    Nach diesen Worten hatte sich der Amtmann entfernt. Der Aktuar war überzeugt, seine Pflicht getan zu haben. Er schritt erzürnt und beleidigt im Zimmer auf und ab, tat einige Blicke in die Akten und murmelte dann vor sich hin:
    „Unsinn! Konfrontation! Dadurch verrate ich doch nur dem einen die Aussagen des anderen. Aber, er will es, und so will auch ich.“
    Er zog an der Glocke und befahl, die beiden Schmiede vorzuführen. Der Amtsdiener fragte:
    „Beide zugleich, Herr Aktuar?“
    „Natürlich!“
    „Ist das nicht gefährlich?“
    „Warum sollte es gefährlich sein?“
    „Die Kerls sind

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