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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Geständnis habe ich dir zu machen. Denkst du an dein Gedicht, welches ich damals erhielt?“
    „Was ist's mit demselben?“
    „Als ich die Stelle las:
    Du meine süße Himmelslust
O traure nicht und laß das Weinen
Dir soll ja stets an treuer Brust
Die Sonne meiner Liebe scheinen,
    da bin ich beinahe ein wenig eifersüchtig geworden.“
    „Eifersüchtig? Wie wäre das möglich?“
    „Nun, du sprachst da von einer Trauernden.“
    „Ja.“
    „Die nanntest du deine süße Himmelslust und versprachst ihr, daß ihr die Sonne deiner Liebe scheinen werde. Ich konnte mir nicht denken, daß ich unter dieser Trauernden gemeint sei, und so lag der Gedanke nahe, daß es eine andere gebe, der diese Verse galten.“
    „Oh, dieses Gedicht behandelte kein subjektives, sondern vielmehr ein ganz objektives Thema. Ich habe dabei gar nicht an irgendein mir bekanntes Wesen gedacht.“
    „So wünsche ich, daß du von jetzt an an eines denkst, so oft du eine Strophe schreibst, in welcher von süßer Himmelslust und von der Sonne der Liebe die Rede ist.“
    „Oh, gewiß werde ich von jetzt an an eine denken, welche wirklich lebt und wirklich existiert.“
    „Und wer wird das sein?“
    „Du, nur du allein!“
    Er zog sie wieder an sich. Der arme Waisenknabe, das Findelkind, der Pflegesohn eines Schneidermusikanten hatte die Tochter eines Obersten, den Abkömmling eines alten adeligen Geschlechts, im Arm. Er fühlte den Druck ihrer Lippen und das warme, vertrauende Schwellen ihres Busens. Ihr Blick ruhte in dem seinigen – er wußte nicht, wohin mit seiner Seligkeit; er küßte sie wieder und immer wieder, bis sie plötzlich sich aus seinen Armen wand und purpurrot erglühend sich erhob.
    Er drehte sich um. Unter der Tür stand der Oberst von Hellenbach mit seiner Frau und hinter ihnen sah man das durchgeistigte, vornehme Gesicht des Fürsten von Befour.
    Natürlich stand auch Robert jetzt von seinem Sitz auf. Er erglühte nicht wie Fanny, sondern er war leichenblaß geworden.
    „Fanny!“ sagte der Oberst, mehr in erstauntem, als in verweisendem Ton.
    „Mama!“ antwortete sie und warf sich in die Arme ihrer Mutter, welche auch überrascht, schnell nähergetreten war.
    Der Fürst tat, als habe er gar nichts bemerkt. Er grüßte:
    „Guten Abend, Robert!“ und nickte ihm freundlich zu, und zu Fanny tretend, fügte er hinzu: „Sie hätten weder ihre lieben Eltern schon jetzt, noch mich überhaupt hier gesehen, wenn wir nicht vor zwei Minuten erfahren hätten, daß Ihnen ein großes Unglück gedroht hat. Wir brachen natürlich sogleich auf, um uns nach Ihrem Befinden zu erkundigen.“
    Diese Worte beseitigten das Peinliche des Augenblicks.
    „Ja, mein Kind“, sagte die Oberstin, „man sagte uns, daß am Theater ein Attentat auf dich unternommen worden sei. Ist das wahr?“
    „Leider ja.“
    „In welcher Weise? Wir konnten nichts genaues erfahren und waren natürlich auch zu aufgeregt, als daß wir uns hätten Zeit zu weitläufigen Erkundigungen gönnen können.“
    „Ich sollte mit rauchender Schwefelsäure bespritzt werden.“
    „Herr Jesus! Im Gesicht?“
    „Ja.“
    „Von wem denn?“
    „Von der Jüdin Judith Levi aus der Wasserstraße.“
    „Weshalb denn?“
    „Aus – aus – aus Eifersucht“, antwortete sie errötend und indem sie sich halb abwandte.
    „Eifersucht? Aus welchem Grund könnte denn dieses Mädchen eifersüchtig gegen dich sein?“
    Der Fürst erkannte das Verfängliche dieser Frage und fiel also schnell ein:
    „So sind Sie also von der Säure nicht getroffen worden?“
    „Nein, sondern nur die Toilette.“
    „Wir hörten, daß ein junger Herr Sie gerettet habe?“
    „Ja, Robert war –“
    Sie hielt erschrocken inne, da ihr der Vorname des Geliebten entfahren war.
    „Robert?“ fragte die Oberstin in halb verweisendem und halb überraschten Ton. „Sie, Herr Bertram waren Zeuge?“
    „Oh, nicht Zeuge, sondern mein Retter!“ fiel Fanny ein.
    Und nun erzählte sie mit beredter Zunge die Begebenheit. Die drei hörten zu, dann gab der Oberst Robert Bertram die Hand und sagte, allerdings mit einiger Kälte im Ton:
    „Wir haben Ihnen abermals so sehr viel zu danken. Hoffentlich geben Sie uns einmal Gelegenheit, Ihnen unsere Erkenntlichkeit zu beweisen, aber bitte, in einer für uns möglichen Weise!“
    Robert verstand, was mit diesen Worten gemeint war. Er war jetzt, da er sich von Fanny geliebt wußte, ein ganz anderer geworden. Die Überraschung hatte ihn zwar erblassen lassen, aber er

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