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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sohn erkannte.
    „Walther, du?“ sagte er. „So rasch habe ich dich freilich nicht erwartet.“
    „Du wünschtest Eile, und ich gehorchte natürlich.“
    Sie umarmten und küßten sich. Jetzt sah man die Ähnlichkeit, welche zwischen Vater und Sohn herrschte. Der erstere fragte:
    „Bist du vielleicht von der Reise sehr ermüdet?“
    „Gar nicht, lieber Vater.“
    „So restauriere dich, und dann wollen wir von der Angelegenheit sprechen, welche deine Gegenwart wünschenswert macht.“
    „Restaurieren? Meinst du essen und trinken, die Kleidung wechseln? Das ist nicht nötig. Ich habe weder Hunger noch Durst. Sprechen wir also gleich jetzt.“
    „Gut. Du bist wie ich. Was man zu fassen hat, das soll man schleunigst fassen. Also setz dich!“
    Sie nahmen einander gegenüber Platz. Der Vater steckte sich eine Zigarre an und schob dann dem Sohn das Kistchen zu. Als beide Zigarren dampften, begann der erstere:
    „Du schriebst um Geld –“
    „Wörtlich nicht, obgleich mein Wunsch zwischen den Zeilen zu lesen war.“
    „Brauchst du viel?“
    „Einstweilen nichts. Die Angelegenheit hat sich erledigt.“
    „Das ist mir lieb, denn meine Kasse ist leer. Weißt du, wer sie geleert hat?“
    „Wir beide wohl“, antwortete der Sohn lächelnd.
    „Ganz richtig, wir beide. Wir sind eben echte Hagenaus, sorglos, wohltätig, großmütig; dagegen läßt sich nichts sagen. Du weißt, ich liebe es nicht, über Geschehenes zu räsonieren oder gar zu jammern. Man kann das Geschehene niemals ändern, unter Umständen aber es vielleicht wieder gutmachen; durch Heulen und Klagen aber ist dies nicht möglich. Also sehen wir den Dingen offen in das Gesicht. Wenn wir noch ein halbes Jahr in der jetzigen Weise fortleben, sind wir bankrott!“
    Er sagte dies ohne Leidenschaft und strich dabei ruhig die Asche von der Zigarre.
    „In sechs Monaten“, meinte der Sohn nachdenklich.
    „Ja, dann sind wir vollständig fertig.“
    „Das ist schlimmer, als ich dachte.“
    „Wie dachtest du dir die Angelegenheit?“
    „Ich hielt einfach unsere Aktiven für bedeutender. Wenn du von sechs Monaten sprichst, so beträgt unser aktiver Besitz also nicht mehr als eine Summe, welche wir bisher in einem halben Jahr zu verbrauchen pflegten.“
    „So meine ich es.“
    „Das ist verdammt wenig. Ich glaubte deinen Schrank voller Papiere – deine Gemälde –“
    „Ah pah! Meine Gemälde taugen nichts; ich bin von einer ganz infam organisierten Bande scheußlich betrogen worden. Ich glaubte, ein Kenner zu sein, und sehe nun zu spät ein, daß ich nichts als ein Esel gewesen bin. Es sind Hunderttausende hinausgeworfen worden. Und meine Papiere? Ich habe spekuliert und dabei nichts gewonnen als die Überzeugung, daß ich alles hinauswarf, mein Bankier aber alles für sich auflas. Wir haben also Tabula rasa. Wie steht es nun mit dir?“
    Der Sohn zuckte die Achseln.
    „Schulden natürlich!“ meinte der Vater.
    „Ich befand mich in schlimmer Verlegenheit, bis Randau mir heute unaufgefordert fünfzehntausend Gulden lieh.“
    „Braver Kerl! Er soll sie bald zurückerhalten!“
    Der Vater kam gar nicht auf den Gedanken, einen Tadel gegen den Sohn hören zu lassen. Dieser letztere horchte auf und fragte:
    „Bald zurück? Wovon denn? Du sprachst ja von Tabula rasa.“
    „Geld muß werden, mein lieber Walther! Ist's nicht auf die eine, so ist's doch auf die andere Weise. Laß uns nur erst noch von dir sprechen. Da schreibt mir mein Bruder aus Rollenburg einige Zeilen. Hast du vielleicht eine Ahnung, welchen Gegenstand es betrifft?“
    „Ich kann es mir denken.“
    „Du bist unvorsichtig gewesen!“
    „Leider! Wohl aber nicht in der Weise, wie er es vielleicht schildert.“
    „Er ist allerdings ein wenig überschwenglich. Er erzählt da von einer gewissen Melitta –“
    „Pah! Wir tranken einige Flaschen Wein bei ihr; aber sonst ist nichts geschehen.“
    „Sodann von gewissen gefälschten Banknoten –?“
    „Ich habe sie nicht gefälscht!“
    „Sie aber im Spielen gewonnen. Du sollst überhaupt in letzter Zeit ein großer Freund dieser Unterhaltung gewesen sein.“
    „Nicht mehr als jeder andere auch. Ich spiele nicht leidenschaftlich; ich bin imstande, dieser Passion zu jeder Zeit und ohne alle Mühe zu entsagen.“
    „Das freut mich! Also du weißt, über welche Mittel wir noch gebieten. Man hat angefangen uns in die Fensterscheiben zu blicken. Es sind mir zwei Hypotheken gekündigt. Zahle ich nicht, so folgen die anderen Gläubiger

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