65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
mich natürlich nicht sehen. Geben Sie mir ein abgelegenes Zimmer, Herr Verwalter.“
„Mich aber sollen sie sehen!“ sagte der Freiherr in entschiedenem Ton. „Ich bin der rechtmäßige Erbe und werde mich als solcher zeigen. Sie stellen mir also diese drei Herren vor!“
Jacob Simeon wurde in eine abgelegene Stube eingeschlossen, und die beiden anderen begaben sich nach dem Salon, in welchem die Angekommenen empfangen werden sollten. Dem Fürsten war es nicht eingefallen, sich bei dem Verwalter anmelden zu lassen. Er fragte, wo derselbe sei und trat mit seinen beiden Begleitern unangemeldet ein. Der Verwalter gab sich als solcher zu erkennen und sagte dann:
„Darf ich fragen, wer die Herren sind und was sie bei mir wünschen?“
„Ich bin der Fürst von Befour“, antwortete dieser. „Sie haben von Seiten Ihres zuständigen Gerichtsamts in Erfahrung gebracht, daß Sie diese Besitzung jetzt nicht mehr für den Baron von Helfenstein, sondern unter behördlicher Inspektion zu verwalten haben?“
„Ja.“
„Nun, eine solche Inspektion wird heute stattfinden.“
Als er nun die Namen seiner beiden Begleiter nannte, trat der Freiherr auf ihn zu und sagte:
„Dann werden Sie mir wohl gestatten, an dieser Inspektion teilzunehmen?“
Er vermochte es nicht, den Haß zu beherrschen, welchen er gegen den Fürsten hegte, obgleich er denselben noch nie gesehen hatte. Dieser letztere betrachtete ihn mit einem forschenden, kalten Blick und fragte dann:
„Wer sind Sie?“
„Ich bin der Freiherr von Tannenstein und hoffe, daß Sie von meiner Existenz gehört haben!“
„Allerdings“, antwortete der Fürst lächelnd. „Aber was hat diese Ihre unbestrittene Existenz mit der heutigen Inspektion zu tun, mein Herr?“
„Das sollten Sie nicht wissen?“
„Nein.“
„Die Helfensteins sind nur eine Seitenlinie der Tannensteins.“
„Das weiß ich allerdings.“
„Gegenseitig erbberechtigt!“
„Ganz richtig!“
„Die Baronie Helfenstein wird frei –“
„Glauben Sie?“
„Ja.“
„Der gegenwärtige Baron lebt noch!“
„Man ist überzeugt, daß er nicht mehr lange leben werde.“
„Ah, ich verstehe! Sie wollen ihn beerben?“
„Ganz folgerichtig. Es gibt keinen anderen Erben.“
„Nun, dann wollen wir doch vorher erst seinen Tod abwarten, mein Herr!“
„Das werde ich allerdings. Aber ich habe jedenfalls das Recht, mich um Angelegenheiten zu kümmern, welche später meine eigenen sein werden. Wenn Sie also zu inspizieren beabsichtigen, beteilige ich mich.“
Es glitt ein lustiges Lächeln über das Gesicht des Fürsten, als er antwortete:
„Sehr gut. Wir werden also auch Sie inspizieren.“
„Wie meinen Sie das?“ fragte der Freiherr schnell. „Ich hoffe nicht, daß Sie mich für übermäßig spaßhaft halten!“
„O nein, das tue ich nicht. Ich kenne Sie überhaupt noch nicht, weiß also auch gar nicht, was ich von Ihnen zu halten habe; doch denke ich, es baldigst zu erfahren. Sie verlangen, an der Inspektion beteiligt zu sein, und ich gewähre Ihnen Ihre Bitte, indem wir Sie mit inspizieren.“
„Bitte? Ich habe keineswegs gebeten. Ich weiß mich im Besitz meiner Rechte und habe also nur zu fordern. Natürlich will ich inspizieren, nicht aber inspiziert werden.“
„Ah, so! Tut mir leid! Da muß ich Ihnen freilich sagen, daß wir von Ihren Rechten noch nicht die richtige Überzeugung haben. Sie werden also wohl verzichten müssen, sich uns zu kollegieren.“
„Ich verzichte nicht!“
„So bin ich neugierig, wie Sie es anfangen werden, als Inspektor neben uns tätig zu sein.“
„Das werden Sie baldigst sehen.“
„Natürlich aber werden wir jede unberufene Einmischung zurückweisen müssen.“
„Ich lasse mich nicht zurückweisen!“
„So gibt es einen Paragraphen, welcher den Widerstand gegen die Staatsgewalt mit schwerer Strafe bedroht!“
„Es hat kein Mensch das Recht, hier diesen Paragraphen in Anwendung zu bringen.“
„Dennoch aber nehmen wir drei vorläufig dieses Recht für uns in Anspruch.“
„Ich befinde mich in meinem zukünftigen Eigentum!“
„Jetzt aber ist es noch nicht Ihr Eigentum. Sie sind hier völlig fremd. Nebenbei erteile ich Ihnen den guten Rat, überhaupt zu verzichten. Es ist ein anderer, viel näherer Erbe, als Sie es sind, vorhanden.“
„Den gibt es nicht!“
„Sie werden ihn kennenlernen.“
„Jetzt aber kenne ich ihn noch nicht und beharre also auf meinem Recht. Wollen Sie sich die Bücher vorlegen lassen, so
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