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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nehme auch ich Einsicht von ihrem Inhalt.“
    „Sie werden, wie gesagt, verzichten. Sie bekommen nichts vorgelegt, und erzwingen läßt sich nichts.“
    „Das wird sich finden!“
    Er sprach das in übermütigem Ton. Der Fürst zog die Stirn in Falten und antwortete:
    „Hören Sie! Bis jetzt habe ich Ihr Verlangen für einen unzeitigen, etwas kindlichen Scherz gehalten und es demgemäß beantwortet. Sollten Sie wirklich Ernst machen, so mache ich Sie auch in allem Ernst darauf aufmerksam, daß Sie es mit den Vertretern des Gesetzes zu tun haben, welche die nötige Macht besitzen, ihren Verordnungen Nachdruck zu geben. Wir sind nicht allein gekommen. In wenigen Minuten werden hier Gendarmen eintreffen, denen wir einen jeden überweisen werden, welcher sich unterfangen sollte, uns zu inkommodieren.“
    Und sich zu dem Verwalter wendend, fuhr er fort:
    „Es handelt sich heute um die Ermordung des Barons Otto von Helfenstein und die Ermordung des Hauptmanns von Hellenbach. Der Baron Franz von Helfenstein hat die Tat eingestanden und wird unter Bedeckung binnen einer Viertelstunde hier eintreffen, um an Ort und Stelle verhört zu werden. Sie haben sämtliche hier anlangende Herren als Gäste zu betrachten und für standesgemäße Verpflegung zu sorgen. Uns weisen Sie jetzt drei nebeneinander liegende Wohnungen an. Sie haben uns jetzt als Ihre Herren anzusehen und jedem unserer Worte augenblicklichen Gehorsam zu leisten. Also, jetzt vorwärts!“
    Ohne den Freiherrn eines weiteren Blicks zu würdigen, verließ er mit dem Assessor und dem Staatsanwalt den Salon. Tannenstein stieß einen Fluch aus und murmelte:
    „Verdammter Kerl! Er ist an allem schuld, er allein! Also ein näherer Erbe ist da! Gut, ja! Aber diesen näheren Erben werde ich euch nennen, ich! Und dann – sapperment, was ist das? Jetzt geht es los.“
    Es rollten mehrere Wagen in den Hof. Gendarme und Gerichtsbeamte stiegen aus. Aus einem der Wagen wurde eine Gestalt gezogen, bei deren Anblick der Freiherr vor Schreck fast laut aufgeschrien hätte.
    Es war der Baron Franz von Helfenstein. Aber wie sah dieser Mann jetzt aus! Die Arme waren nicht zu sehen. Sie wurden durch einen Gipsverband fest an den Leib gehalten. Er trug Sträflingshosen, ebenso Weste und darüber einen sackartigen Überwurf. Sein Gesicht war eingefallen, wie dasjenige eines Toten, seine Lippen waren blutleer, und seine Augen lagen tief in ihren Höhlen. So weit hatte ihn die Verletzung der beiden Arme gebracht. Das Wundfieber hatte seine früheren Kräfte verzehrt, seinen Mut zerstört und seine Hartnäckigkeit vernichtet. Er hatte alles gestanden.
    „Das ist er!“ murmelte der Freiherr. „Wie sieht er aus! Ja, da tauge ich hier nichts. Ich mag die Geschichte gar nicht mitansehen, sondern ich will machen, daß ich fortkomme.“
    Er wartete noch kurze Zeit, bis es ihm möglich war, ohne Aufsehen zu erregen, einspannen zu lassen. Dann kutschierte er fort.
    Als er bei sich in Grünbach ankam, suchte er sogleich seine Tochter auf. Sie stand vor einem bis auf den Boden reichenden Spiegel und musterte ihre Gestalt.
    Sie war schön, aber von jener rein fleischlichen Schönheit, welche nur die Sinne in Beschlag nimmt und später in Formen übergeht, welche man Dickheit nennt.
    „Vater“, sagte sie, „tritt einmal hierher und betrachte mich im Profil. Meinst du nicht, daß ich ein wenig zu dick werde?“
    „Dick! Dick! Theodolinde, welch ein Ausdruck!“
    „Nun ja, ästhetisch ist er nicht, aber er trifft das Richtige. Da, greife einmal meine Arme an! Ist das nicht dick, he?“
    „Du bist gradso, wie du sein sollst!“
    „Nein. Ich nehme viel zu sehr zu! Ich werde Essig trinken und Kaffeebohnen kauen. Und die roten Backen! Ich sehe wie ein Bauernmädchen aus. Was soll Herr von Hagenau denken!“
    „Hagenau? Hast du von ihm gehört?“
    „Er ist da.“
    „Woher weißt du das?“
    „Der Gärtner war in Reitzenhain und hat ihn aussteigen sehen.“
    „Und es dir erzählt?“
    „Wo denkst du hin! Er hat zur Zofe davon gesprochen, und diese teilte es mir mit.“
    „Weiß sie denn von unserem Projekt?“
    „Sie scheint gehorcht zu haben.“
    „Sapperment! Das werden wir ihr abgewöhnen! Hoffentlich kommen die beiden Hagenaus morgen schon herüber.“
    „Wenn sie wüßten!“
    „Hm, ja! Es ist eine alte berühmte Familie. Die Partie ist also gut, zumal –“
    „Zumal wir spekulieren.“
    „Geradeso wie sie. Sie wollen Geld, und wir wollen uns in ihrem Stammbaum sonnen. Wenn

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