65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
der Alte wüßte, daß wir fast ärmer sind als er und daß wir nur dem Pascherkönig die Einnahmen verdankten, welche es uns ermöglichten, standesgemäß zu leben. Und nun soll und muß ich fünfzigtausend Gulden schaffen!“
„Fünfzigtau –!“
Das Wort blieb ihr im Munde stecken.
„Ja, freilich!“ nickte er.
„Wozu? Bist du sie denn schuldig?“
„Nein. Ich soll sie bezahlen als Preis für den Reichtum der Helfensteins.“
„Ich verstehe dich nicht.“
„Laß dir erzählen. Du bist in allem meine Vertraute gewesen, ich kann dir also unbedenklich auch diese Angelegenheit anvertrauen.“
Er erstattete ihr ausführlichen Bericht. Sie hörte aufmerksam zu und fragte dann:
„Was hast du beschlossen?“
„Noch nichts. Ich wollte erst dich hören.“
„Das ist gar nicht nötig. Es versteht sich ganz von selbst, was hier zu tun ist.“
„Nun was?“
„Wir greifen zu.“
„Gut; aber dieser Jakob Simeon will auch zugreifen. Er verlangt zunächst die Hälfte.“
„Die muß geschafft werden.“
„Aber wie?“
„Hm! Könnte man diesen Menschen denn nicht betrügen?“
„Nein. Er ist zu schlau.“
„Oder ihm die Kette abnehmen?“
„Ich habe dir ja erzählt, daß er bewaffnet ist.“
„Was das betrifft, so ist mir das gleichgültig. Vor einem Revolver braucht man sich nicht zu fürchten.“
„Ja, da kenne ich dich. Du hättest ein Junge werden sollen. Aber die Kette allein nützt uns nichts. Wir müssen auch das Kinderzeug haben, und das können wir ja ohne seine Hilfe nicht bekommen.“
„Hm! Die Fünfundzwanzigtausend müssen wir also unbedingt haben. Vielleicht betrügen wir ihn dann um die andere Hälfte.“
„Gott, mir macht ja bereits schon die erste Hälfte zu schaffen. Woher das Geld nehmen?“
„Wieviel hast du?“
„Ich habe kaum fünftausend Gulden in der Kasse. Und das ist mein ganzes Vermögen.“
Sie blickte nachdenklich vor sich hin. Dann sagte sie:
„So muß ich sehen, wie das Geld zu schaffen ist.“
„Du? Wie wäre dir es möglich?“
„Vielleicht doch. Laß mich nur machen. Um so reich zu werden, darf man seine Gedanken schon einmal anstrengen. Das Geld muß geschafft werden, und also wird es geschafft!“
„Aber noch weißt du ja nicht, ob wir für einen Heller Nutzen haben werden.“
„Ich weiß, daß wir reich sein werden; das ist genug.“
„Ja, zum Teufel! Wir brauchen doch einen Robert.“
„Ja, den brauchen wir freilich.“
„Woher nehmen?“
„Den haben wir schon.“
„Wo denn?“
„Hier im Haus. Ich meine Julius.“
„Deinen Bruder! Mädchen, wir haben ganz denselben Gedanken. An Julius habe ich auch sogleich gedacht.“
„Er paßt prächtig. Grad daß er blödsinnig ist, gereicht uns zum Vorteil. Du würdest sein Vormund.“
„Das Alter hat er auch.“
„Es paßt eben alles, alles!“
„Aber in Beziehung auf die Hauptsache finde ich keine Antwort auf die Frage.“
„Du meinst, wie Julius, wenn er wirklich jener Robert von Helfenstein, zu uns gekommen ist?“
„Ja.“
„Auch da muß Rat geschafft werden. Man ist ja nicht auf den Kopf gefallen und wird sich doch wohl irgendeine wohlklingende Fabel aussinnen können.“
„Ich dachte bereits an unseren alten Daniel, der, bevor wir ihn engagierten, bei Baron Otto von Helfenstein Diener war.“
„Ganz recht! Er ist nun tot und kann nichts dagegen sagen, wenn wir ihn einen Streich verüben lassen, an den er zur Zeit seines Lebens gar nicht gedacht hat.“
„War er nicht fortgejagt worden?“
„Ja.“
„Könnte er nicht aus Rache –?“
„Hm! Ja. Das ginge wohl. Aber wie kommen wir denn dazu, das fremde Kind bei uns aufzunehmen? Wohin wäre dann das unsere gekommen?“
„Ja, das wird verwickelt. Wir müßten die tote Mama mit in die Angelegenheit ziehen.“
„Das geht beinahe gar nicht anders.“
„Julius müßte damals grad gestorben sein; sie hat seinen Tod verschwiegen und den fremden Knaben dafür untergeschoben.“
„Wie aber erfahren wir das jetzt?“
„Wir finden in einem alten Versteck die Kette, das Kinderzeug und einen Brief der Mama. Überhaupt wollen wir uns darüber noch nicht die Köpfe zerbrechen. Dazu ist später auch noch Zeit. Zunächst müssen wir das Geld schaffen.“
„Ah, du hast einen Gedanken?“
„Ja.“
„Meinst du etwa den Einsiedler?“
„Du hast es erraten.“
„Da mach dir keine Gedanken. Er gibt keinen Kreuzer mehr heraus. Ich war in letzter Zeit bei ihm wegen der sechstausend, die ich ihm schuldig
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