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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Seite gerissen, so daß er auf ein Knie niederstürzte.
    Als er sich schnell wieder erhob, erblickte er einen Menschen, welcher dem zu Boden kollernden Bären die Klinge in das Herz stieß und dann gedankenrasch wieder zurücksprang. Ein Zucken, ein Röcheln – das Tier war tot.
    „Herr, mein Gott! Das war Hilfe in der Not!“ seufzte der König tief auf.
    „Bist wohl kein Jäger?“ fragte der andere.
    „Warum?“
    „Sonst hättest müssen wissen, daß man, wenn man einen Bären schießen will, nicht so unvorsichtig um die Ecke biegt. Da steckt man erst vorsichtig nur derweilen die Nasen herum. Ist die Luft rein, so kann sich der Körper dann nachschieben. Und den Stutzen hast halt auch weggeworfen!“
    „Ich ahnte nicht, daß es ein Bär sei.“
    „Nicht? Was hast denn gemeint?“
    „Ein Mensch.“
    „Schau, das ist schön, sehr schön! Hast den Bären für den Menschen genommen. Jetzt kannst mir die Freud machen, mich für den Bären zu halten!“
    „Wer bist du?“
    „Nein, wer bist du?“
    „Ich bin aus der Stadt.“
    „Das merkt man schon bereits sehr gut. Heb deine Büchsen auf, und lege dich mit ihr ins Bett. Sie ist dir heut zu nix mehr nütze.“
    Da hörte man Schritte. Die Sennerin kam herbei. Sie erblickte zuerst die hohe Gestalt des Königs.
    „Bist du es, der geschossen hat?“ fragte sie. „Was ist's? Ich wachte von dem Schuß auf. Dein Stutzen war fort und du auch, als ich nach dir schaute.“
    „Dieser Bär wollte in den Stall“, antwortete er.
    Jetzt erst erblickte sie das riesige Tier und zugleich den anderen Mann. Sie schlug vor Schreck die Hände zusammen.
    „Ein Bär! Wohl derjenige von drüben? Ist er auch tot?“
    „Ja.“
    „Der heiligen Jungfrau sei Dank! Welch ein Unglück hätte er angerichtet, wenn du ihn nicht erschossen hättest, du, ein Stadtherr!“
    „Nicht ich habe ihn erlegt. Dieser Mann ist es gewesen.“
    „Der? Ja, wer ist denn der?“
    Der andere stand still und bewegungslos da. Sie konnte, da sie sich im Schatten befanden, sein Gesicht nicht deutlich erkennen. Darum trat sie näher zu ihm heran und sah ihn sich an.
    „Jesses Maria! Der Anton, der Anton! Wie kommst denn du denn auf meine Almerei, mitten in der Nacht? Weißt nicht, daß –“
    Sie hielt inne, denn sie erkannte, daß sie ihn beinahe verraten hätte. Es war der Krickel-Anton, der Wilderer, den sie suchten.
    Krickel werden die Hörner der Gemsen genannt. Den Namen Krickel-Anton hatte er erhalten, weil er am schnellsten einem, der ein Gemshorn mit aus den Bergen heimnehmen wollte, es ihm verschaffen konnte, ein so gewandter Jäger war er.
    Er wollte ihr eine Antwort geben, deutete aber statt dessen vorwärts nach der hohen, bereits erwähnten Felswand und sagte:
    „Heilige Maria! Wer ist das dort?“
    Auf dieser Wand, in schwindelnder Höhe, kam nämlich eine weiße Gestalt langsam herübergeschritten, so sicher, als ob sie sich auf ebener Straße befindet.
    „Ist's möglich! Ein Weib da oben!“ sagte der König erschrocken.
    „Es ist die Mondsüchtige“, erklärte Leni. „Herrgott! Der Felsengrat ist da oben kaum einen Fuß breit! Betet, daß sie nicht herunterstürzt.“
    Sie eilte vor nach der vorderen, vom Mond beleuchteten Seite des Hauses, von wo aus man die Nachtwandlerin besser beobachten konnte. Dort kniete sie nieder, um zu beten.
    Die beiden Männer folgten ihr. Das Auge des Königs hing mit Grauen an der Gestalt, welche über einer Tiefe von wohl sechshundert Fuß schwebte und doch langsam, gemessenen Schrittes, wie ein Gespenst, herüberschritt. Es lief ihm eiskalt über den Rücken. Er wagte kaum, zu atmen.
    Unten die dämmernde Tiefe, ringsum die im Mond glänzenden Firnen, helles Licht neben dunklen Schatten, und dort die hell beschienene Wand mit der geisterhaften, weißen Gestalt – es war wie ein Traum, aber ein entsetzlicher Traum.
    Endlich hatte die Geheimnisvolle den Grat hinter sich und schritt auf grasiger Weide langsam grad auf die Sennhütte herzu.
    „Wer ist sie?“ fragte der König.
    „Eine Fremde“, antwortete Leni.
    „Woher? Wie heißt sie?“
    „Ich weiß es nicht. Nur der Bürgermeister weiß es. Sie soll eine sehr vornehme Dame sein. Wir nennen sie nur die Nachtwandlerin. Sprecht kein Wort zu ihr, kein einziges, sie mag tun und reden, was sie will! Sie kommt, sie kommt herbei!“
    Es graute den dreien ganz so, als ob sie eine übernatürliche Erscheinung vor sich hätten. Sie blieben wie festgebannt stehen. Die Mondsüchtige kam immer näher;

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