66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
Saffianpan – pantoffeln!“
So verschwand sie von der Bildfläche des Fensters, wie auf dem Meer eine dicke Seekuh an der kleinen Badekabine vorüberschwimmt.
Sepp lehnte hüben und Leni drüben am Pfeiler des offenen Fensters. Als er die Dame erblickte, sagte er: „Der da machen s' ein Komplimenten. Wer mag diese wohl sein.“
„Das ist sie“, antwortete Leni.
„Wer?“
„Die Frau Direktorin Qualèche.“
„Das Kalescherl! Potztausend! Die hab ich mir halt ganz anders vorgestellt. Ein Kalescherl ist doch ein flottes Fahrzeug; die aber kommt heraus wie ein Möbelwagen. Und von der lernst du Singen?“
„Ja.“
„Das ist schön! Das ist gut! Das ist sogar einzig! Kann die denn singen?“
„Jetzt vor Fett nicht mehr. Früher aber war sie eine berühmte Konzertsängerin.“
„Sie kann's nicht mehr und lernt's doch? Sie muß dir's doch zeigen, wie du's machen mußt!“
„Dazu hat sie ihre Tochter, welche sie beim Unterricht unterstützt.“
„Sapristi, so hab ich stets, wenn ich bei dir war, die Töchtern für die Muttern gehalten. Denn diese Gestalt ist mir noch nimmer vor die Augen kommen. Schau mal, die Gesichter, die die beiden machen!“
„Ja, es ist köstlich. Sie halten sie für mich!“
„Na, das ist auch einzig. Sie verschwindet. Jetzt nun soll mich's wundern, was noch geschehen wird.“
Es war wirklich ein Genuß, zu beobachten, mit welchem Gesichtsausdruck der Kapell- und Konzertmeister einander anblickten.
„Ist's denn möglich!“ seufzte der erstere.
„Möklik – possibile!“ schüttelte der andere den Kopf.
„Das soll sie sein!“
„Ssein, ja ßein soll es ßie, ßie, ßie!“
„Eine Sennerin!“
„Ja, eine Ssennerin, ßehr, ßehr! Eine Ssennerin aus Italia, Italiana!“
„Ist's zu glauben?“
„Kaum ßu klauben!“
„Die sollen wir singen hören!“
„Ja, ßingen, ßingen, cantare!“
„Die kann doch gar keine Stimme haben!“
„Nein, keine, kar keine.“
„Ich möchte beinahe behaupten, wir seien mystifiziert, gefoppt.“
„Ja, das ßein foppen, ein Fopperei, corbellatura, coglionatura, ein motteggio!“
„Ich kann mir das nicht erklären. Was tun wir, Herr Konzertmeister?“
„Ja waß tun, waß, waß, waß!“
„Und der König soll sie hören!“
„Sogar der Könik!“
„Aber auf seinen Befehl ist sie hier! Es kann also doch keine Täuschung sein!“
„Nein, keinen Täuschunk, nein, nein!“
„Es ist ja möglich, daß sie Sennerin gewesen ist, aber vor dreißig Jahren, als sie noch schlank war. Jetzt könnte sie keine Alm besteigen. Sie würde abrutschen wie ein Laubfrosch an der Fensterscheibe.“
„Ja, Laubfröschen – rana arborea.“
„Geben Sie mir einen Rat!“
„Ja, einen Raten. Ssie mir, ßie, ßie!“
„Auch Sie sind ratlos! Nun, es geht nicht anders, als daß wir uns in dieses Schicksal ergeben, wenigstens einstweilen. Natürlich müssen wir unsere Befürchtungen sofort der Majestät mitteilen.“
„Ja, ßoforten, ßoforten!“
„Aufgepaßt! Jetzt kommt sie wieder. Lassen Sie sich nichts merken. Die größte Höflichkeit. Vielleicht ist sie doch eine gesangliche Größe, obgleich ich noch nie gehört habe, daß eine fette Wachtel wie eine Nachtigall geschlagen hat.“
Die Dicke kam zurück und die beiden Herren rissen ihre Hüte wieder von den Köpfen.
„Also“, sagte sie, „Sie haben die Güte gehabt, für ein Unterkommen zu sorgen?“
Sie war jetzt besser bei Atem. Sie konnte ihren Satz ohne Unterbrechung aussprechen.
„Wir haben es mit größtem Vergnügen getan“, antwortete der Kapellmeister.
„Es ist doch in der Nähe?“
„Da war es unmöglich, ein Logis zu finden, wie wir es Ihnen gern bieten wollen, Signora.“
„O weh! Wie weit ist's?“
„Vor der Stadt, in einer Mühle.“
„Was? In einer Mühle?“ fuhr sie auf. „Sie scherzen doch jedenfalls?“
„Das würde ich gegenüber einer solchen Künstlerin mir doch nicht gestatten.“
„Also doch! In einer Mühle! Aber, sehen Sie mich doch an! Bedenken Sie doch meine Konstitution! Wenn ich den Mehlstaub einer Mühle bei meiner unglückseligen Korpulenz einschlucken soll, so bin ich morgen früh bereits ein toter Mann – wollte sagen, eine tote Dame, auf alle Fälle aber eine Leiche!“
„Da kann ich glücklicherweise Signora beruhigen – Sie wohnen keineswegs in dem Gebäude, in welchem sich das Werk in Gang befindet.“
„So! Das klingt freilich beruhigend. Also Mehlstaub gibt es nicht?“
„Keine
Weitere Kostenlose Bücher