66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
Spur.“
„Mühlengeklapper?“
„Auch nicht.“
„Dann will ich mich gern fügen. Aber welche Gelegenheit habe ich, nach meiner Wohnung zu kommen?“
„Ich hatte die Ehre, Ihren telegraphisch zu melden, daß ich eine Equipage besorgen würde. Dort steht sie, wenn Signora sich bemühen wollen.“
„Schön! Bitte bringen Sie mir mein Handgepäck!“
Sie deutete nach der Stelle, wo dasselbe lag. Die beiden Herren eilten diensteifrig hin; sie aber watschelte nach der Kutsche und wurde mit vieler Anstrengung von dem wartenden Kutscher hineingepfropft. Dann kamen die beiden mit dem Mädchen herbei, alle drei mit Gepäck beladen. Der Kutscher musterte das letztere.
„Signora“, fragte er, „fährt das Mädchen mit?“
„Unbedingt!“
„Und dieses Gepäck soll auch mitgenommen werden?“
„Unbedingt!“
„Das ist unbedingt unmöglich!“
„Es ist unbedingt notwendig!“
„Dann bitte ich, mir anzugeben, wo ich alles unterbringen soll.“
„Das ist Ihre Sache. Ich bin nicht Kutscher.“
Sie legte sich in den Wagen zurück und machte die Augen zu. Das Einsteigen hatte sie angegriffen.
Nun sahen die beiden ‚Meister‘, der Kutscher und das Stubenmädchen einander an. Das letztere zuckte die Achsel und sagte:
„Außer diesem haben wir auch noch Frachtgepäck.“
„Auch noch!“
„Ja, zwei Koffer und zwei Reisekörbe.“
„Und das soll alles mit? Das ist –“
„Pst!“ unterbrach der Kutscher den Sprechenden leise. Er winkte in den Wagen hinein, wo die Dicke in der Ecke ruhig atmete, und flüsterte: „Sie hat die Augen zu. Schläft sie etwa?“
„Das ist so ihre Angewohnheit, wenn sie sich angestrengt hat. Freilich ist's kein eigentlicher Schlaf, sondern nur so ein halber Dussel.“
„Dussel!“ wiederholte der Kapellmeister, die Hände faltend und den Italiener verzweifelnd anblickend.
Dieser streckte die Linke aus, wie wenn er mit derselben eine Violine halte, tat, als ob er mit der Rechten den Dämpfer und den Geigensteg setzte, simulierte sodann einen langen leisen Bogenstrick und sagte:
„Leiße, leiße sprechen! Con sordine, con sordino. Ssie schlafen!“
Da machte der Kutscher eine pfiffige Handbewegung und flüsterte lächelnd:
„Steigen Sie zu mir auf den Bock, Fräulein. Ich fahre so leise ab, daß sie es gar nicht merkt und unterwegs auch nicht aufwacht. Dann besorgen die beiden Herren ein Fuhrwerk, auf welches das ganze Gepäck aufgeladen und ihnen augenblicklich nachgeschickt wird.“
„Richtig!“ stimmte der Kapellmeister bei. „Das ist das allerbeste, was wir machen können.“
So geschah es auch. Das Mädchen stieg auf, und die Equipage setzte sich leise, ganz leise in Bewegung, nach und nach in einen schnelleren Gang fallend. Die beiden Herren blickten ihr nach.
„Da fährt sie hin!“ grollte der Kapellmeister.
„Ja, hin, ßie, ßie! Oh!“
„Ich hatte es mir ganz anders gedacht.“
„Ich auk!“
„Ich glaubte, wir würden mit bei ihr Platz nehmen, um sie zu begleiten.“
„Ein Bekleitunk – accompagnamento!“
„Ich hielt sie für jung.“
„Ich auk!“
„Für schön!“
„Ssehr schön, ßehr, ßehr!“
„Und interessant!“
„Ssehr interesante!“
„Ich glaubte, daß wir eine geistreiche Unterhaltung haben würden. Denken Sie, Herr Kollege, eine lustige Sennerin, welche der König ausbilden läßt! Es wär so schön gewesen!“
„Ssehr schön kewesen, ßehr!“
„Wir hätten galant sein können, ihr Rat geben, sie unterstützen können, ein freundliches, anerkennendes Lächeln aus schönen Augen erhalten, und nun, nun – dieses Ungetüm!“
„Ja, Unketüm – spettro, mostrò, prodigio!“
„Eine Sängerin, welche von Mehlstaub gleich bis morgen früh ersticken will! Das ist doch eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen. Nun haben wir die Equipage besorgt; sie schläft im Handumdrehen ein, und wir haben das Vergnügen, auch noch einen Frachtwagen zu beschaffen. Alle Teufel, ich halte es für möglich, daß sie sogar im Konzert, während sie singt, sich niedersetzt und mitten in einem Triller einschläft! Und da sollen die Besucher ein so hohes Entrée bezahlen! Aber kommen Sie, wir müssen einen Wagen haben, denn wenn sie nicht sehr bald ihre Effekten erhält, ist's möglich, daß sie vor Ärger schon heute erstickt anstatt morgen vor Staub.“
Es war zum Glück ein passender Wagen in der Nähe, auf welchen alles geladen wurde. Das Dienstmädchen hatte den Gepäckschein zurückgelassen. Erst als auch dieser Wagen
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