68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
gar wie ein Befehl!“
„Nein; ich befehle dir nichts. Aber diese Zeilen werden dich vielleicht sehr, sehr interessieren.“
„So!“ Er blickte von einem Gesicht nach dem anderen. „Ich weiß gar nicht, was das zu bedeuten haben soll! Welche Mienen macht man da! Warum will man mich bewegen, einen fremden Brief zu lesen?“
„Er betrifft deine Person!“
„Die meinige? Ah! Das wäre ja ein eigentümlicher Zufall! Jedenfalls ein Geschäftsbrief. Laß also einmal sehen!“
Er griff wieder nach dem Papiere und versuchte, die verwischten Zeilen zu enträtseln. Walthers und Mildas Augen hingen unverwandt an seinem Gesicht. Der Sepp hustete leise wie einer, der da zu verstehen geben will, daß jetzt der entscheidende Augenblick gekommen sei.
Es machte dem Baron sichtlich Mühe, die Wörter zu entziffern. Bei einigen wenigen gelang es ihm. Der Zusammenhang tat das seinige. Der Leser ließ die Hand mit dem Papier sinken und starrte dann erst seine Tochter, dann Walther an. Er machte ein Gesicht wie einer, der eine Ohrfeige erhalten hat und doch nicht weiß, von wem.
„Nun, kennst du diese Handschrift?“ fragte seine Tochter.
Er nahm sich zusammen.
„Nein“, antwortete er kopfschüttelnd.
„Ich dachte aber doch, du müßtest sie genau kennen, genauer als ein jeder andere.“
„Warum denn?“
„Weil du es sein sollst, der diesen Brief geschrieben hat.“
Er machte eine sehr gelungene Gebärde des Erstaunens.
„Ich? Diesen Brief? Wann denn?“
„Vor ungefähr etwas über zwanzig Jahren.“
„Wer sagt das?“
„Dein Gewissen wird es dir sagen.“
Da warf er den Brief aus der Hand, machte eine gebieterische Armbewegung und sagte:
„Ich scheine mich hier in einem Haus zu befinden, in welchem geistig Gestörte unter einer schlechten ärztlichen Kontrolle gehalten werden. Du wirst es augenblicklich mit mir verlassen. Komm!“
„Nicht eher, als bis sich dieses Rätsel gelöst hat. Bitte, Vater, sage mir, ob du der Verfasser dieses Briefes bist!“
„Ich sage dir allen Ernstes, daß ich diese Handschrift nicht kenne, ebensowenig wie den Inhalt, und verlange, daß du mich sofort begleitest.“
„Ist dir auch der Name Curt von Walther nicht bekannt?“
„Habe ich noch nie gehört!“
„Und hast du nie die Bekanntschaft einer jungen Dame gemacht, welche Bertha Hiller hieß?“
„Habe nicht die Ehre gehabt. Aber wozu diese so rätselhaften Fragen?“
„Herr Walther hier ist Sohn eines Mannes, welcher sich Curt von Walther genannt hat, um ein braves, junges Mädchen zu betrügen. Er hat eigentlich ganz anders geheißen.“
Der Baron hatte sich jetzt vollständig wieder gefaßt. Er sagte, höhnisch lächelnd:
„Das ist ja ein recht interessantes Geschichtchen. Nur begreife ich nicht, weshalb es gerade mir erzählt wird.“
„Weil du jener Curt von Walther gewesen sein sollst.“
„Ich? Welch eine Verrücktheit! Wer hat sich denn diesen Unsinn ausgedacht?“
„Einer, der glaubt, es ganz gewiß zu wissen. Also, Vater, sei aufrichtig! Befreie mich von dieser entsetzlichen Seelenangst. Sage mir auf Gott und dein Gewissen, ob du wirklich jener junge Mann nicht gewesen bist!“
„Nein, ich war es nicht! Ich habe gar nicht nötig, mich ausfragen zu lassen. Wie kommt ein Baron von Alberg dazu, mit einer solchen Schmutzigkeit in Verbindung gebracht zu werden? Ich bereue nun allerdings meine Aufmerksamkeit, dich von hier abholen zu wollen, und fordere dich allen Ernstes auf, mir augenblicklich zu folgen.“
Er griff nach seinem Hut und fuhr erschrocken zusammen, denn der Sepp hatte mit dem Alpenstock auf den Tisch geschlagen. Der Alte zeigte nach der Türe, welche in die Küche führte und durch welche soeben die Bürgermeisterin hereintrat.
„Da kommt halt noch eine, die ein Wörtle mit dreinreden möcht. Laufen 'S also jetzt noch nicht so gar schnell und eilig fort!“
„Was gibt's?“ fragte die Bürgermeisterin, indem sie näher trat. „Ah, ein Herr!“
„Mein Vater“, erklärte Milda. „Er kam, um mich abzuholen und Sie kennenzulernen.“
„Eine wertgeschätzte Ehre für mich! Ich heiße Sie von Herzen willkommen, Herr Baron!“
Dieser hatte halb abgewendet dagestanden. Jetzt war er gezwungen, sich umzudrehen. Ihr Auge fiel auf sein von der Lampe hell beschienenes Gesicht. Sie trat zurück und wankte.
„Was – was – was sehe ich!“
Sie mußte sich an dem Nebentisch anhalten, und der Sepp trat schnell herbei, um sie zu stützen.
„Nun, Vater!“ sagte Milda.
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