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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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„Kennst du diese Dame?“
    „Curt! Curt von Walther!“ rief die Bürgermeisterin im Ton des Entsetzens.
    „Also doch!“ hauchte Milda. „Also Sie erkennen ihn, Frau Holberg?“
    „Ja, augenblicklich!“ antwortete die Gefragte. „Da ist ja die Narbe. Und dieses Gesicht würde ich noch nach tausend Jahren wiedererkennen, und wenn es noch so sehr gealtert haben sollte!“
    „Vater, du hörst es! Sprich!“
    Er hatte keine Ahnung gehabt, daß seine einstige Geliebte und die Bürgermeisterin identisch seien. Darum war er bei ihrem Anblick geradezu erschrocken oder vielmehr konsterniert. Er sah ein, daß er aller seiner Selbstbeherrschung bedürfe, um sich sowohl zu verstellen als auch herauszulügen. An dieser unglückseligen Überraschung war nur allein der Wurzelsepp schuld. Er warf demselben einen wütenden Blick zu, fuhr sich dann mit den Händen nach dem Schnurrbart, drehe die Spitzen in legerer Weise und antwortete:
    „Vorerst wollte es mir scheinen, als ob ich mich ärgern müsse. Jetzt aber erkenne ich mit aller Klarheit und Deutlichkeit, daß ich es mit düpierten oder mystifizierten Leuten zu tun habe. Ich will mich also in die gegebenen Umstände fügen und meine Antwort nicht verweigern. Frau Bürgermeisterin, Sie irren sich in mir!“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „O nein! Von einem Irrtum kann hier keine Rede sein. Eher könnte ich mich in mir selber täuschen, als in Ihnen. Sie sind Curt von Walther.“
    „Aber ich versichere Ihnen, daß ich diesen Namen noch niemals gehört habe!“
    „Vater“, fragte Milda, „kannst du darauf dein Ehrenwort geben?“
    „Ohne Bedenken! Es waltet hier jedenfalls eine jener Ähnlichkeiten ob, von denen wir vorhin sprachen.“
    „Bitte, nehmen Sie Ihr Ehrenwort zurück!“ rief die Bürgermeisterin, indem sie die Arme gegen ihn ausstreckte. „Haben Sie einst mich verraten und verlassen, so handeln Sie wenigstens in Gegenwart Ihrer Tochter nicht ehrlos! Ich will gleich sterben, wenn Sie nicht jener Curt von Walther sind! Die Narbe ist ein sicheres Kennzeichen. Aber sie ist gar nicht nötig. Ich kenne jeden Ihrer Züge, und außerdem müssen Sie am Mittelfinger der linken Hand auf dem ersten Glied ein kleines rotes Mal besitzen.“
    „Das hat er; das hat er!“ rief Milda. „Vater, ich bitte dich, um Gottes willen, gib der Wahrheit die Ehre! Bedenke, was auf dem Spiel steht!“
    Er ließ seinen stolz-höhnischen Blick langsam von Gesicht zu Gesicht schweifen und antwortete:
    „Pah, ich bin der Betreffende nicht. Aber selbst wenn ich er wäre, was sollte da jetzt auf dem Spiel stehen?“
    „Ich, ich selbst!“ antwortete sie.
    „Du? Sprich deutlicher!“
    „Du würdest mich, deine Tochter, verlieren!“
    Er lachte kurz und heiser auf. Sich nach allen Seiten umblickend, antwortete er:
    „Ich suche eben nur nach den Kulissen, denn jedenfalls befinde ich mich auf irgendeiner Bühne, wo man im Begriff steht, ein verrücktes Hirngespinst in Szene zu setzen. Ich und dich verlieren! Pah!“
    „Gewiß, gewiß!“ rief sie.
    „Und abermals Pah! Ich bin dein Vater. Vergiß dies nicht. Jetzt folgst du mir endlich. Ich warte keinen Augenblick länger.“
    Er drehte sich nach der Türe um. Er konnte nicht hinaus. Walther hatte sich mit einigen raschen Schritten vor dieselbe gestellt.
    „Fort, junger Mann! Ich will gehen!“
    „Bitte, bleiben Sie noch!“ antwortete der Lehrer. „Wir sind noch nicht fertig!“
    „Hoffentlich habe ich zu bestimmen, ob ich fertig bin oder nicht!“ drohte der Baron.
    „Nein“, antwortete Walther ernst. „Ich habe bisher geschwiegen; nun aber bin ich allein es, welcher hier zu bestimmen hat.“
    „Oho! Wenn Sie nicht Raum geben, brauche ich Gewalt.“
    „Das können Sie versuchen! Ich habe mit Ihnen zu sprechen, und Sie werden mir gehorchen und hierbleiben, solange es mir gefällt!“
    Er sagte das ohne alle Aufregung, in größter Ruhe. Der Baron maß ihn mit verachtungsvollem Blick und antwortete:
    „Schulmeister, du bist wahnsinnig. Zurück!“
    Er gab ihm einen Stoß; dieser hatte aber gerade denselben Erfolg, als ob er gegen eine eherne Statue gerichtet gewesen sei: Walther wankte um kein Haarbreit. Aber nun ergriff er den Baron hüben und drüben bei den Armen, preßte ihm dieselben an den Leib, hob ihn empor, trug ihn über die Stube hinüber und setzte ihn dort in der Ecke auf einen Stuhl nieder. Er hatte dabei eine solche Körperkraft entwickelt, daß der Baron kein Glied zu rühren vermocht hatte, sondern jetzt

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