68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
fragen, wo Sie amtieren?“
„Drüben in Hohenwald, Herr Baron.“
Auch Walther fixierte sein Gegenüber. Das Gesicht desselben machte einen ganz eigenartigen, unbeschreiblichen Eindruck auf ihn. Es war ihm, als ob dieser Mann ihm bereits einmal irgendein Unglück, ein Unheil gebracht haben müsse.
„In Hohenwald!“ erklang es im Ton des Erstaunens. „Ich denke, Sie sind in Re –“
Er hielt inne und richtete den Blick forschend nach dem Sepp hinüber. Er hatte sich zu einer Unvorsichtigkeit hinreißen lassen. Er durfte ja nicht wissen lassen, daß er bereits mit jemandem über den Lehrer gesprochen habe. Dieser fragte:
„Bitte, was wollten der Herr Baron sagen?“
„Nichts, mein Bester. Es war ein Irrtum. Ich glaubte, Ihnen kürzlich zufälligerweise begegnet zu sein, in Linz an der Donau. Aber ich bemerke, daß ich mich irre. Der Herr war hochblond, und Sie sind ja brünett.“
Milda hatte sich noch nicht wieder gesetzt und auch ihre Gesichtsfarbe noch nicht wiedererhalten. Ihr Auge war starr und angstvoll auf das Gesicht ihres Vaters gerichtet. Sie wich von ihm zurück, langsam, Zoll um Zoll, als ob eine fürchterliche, entsetzliche Ahnung in ihr empor dämmere.
„Menschen sehen sich ähnlich“, bemerkte der Lehrer. „Auch ich habe bereits die Erfahrung gemacht, daß Personen, welche nach Namen, Geburtsort und Verhältnissen nicht verschiedener sein konnten, persönlich sich sehr ähnlich waren.“
„Ja“, stieß Milda hervor. „Ich mache soeben ganz dieselbe Erfahrung.“
Sie sagte das in einem Ton, welcher ihrem Vater auffiel. Er warf einen befremdeten Blick auf sie und fragte:
„Jetzt? Wieso?“
„Herr Walther besitzt eine ganz außerordentlich Ähnlichkeit mit dir.“
„So? Jedenfalls eben auch nur ein Spiel des launigen Zufalls.“
„Grad so, als ob du sein Vater seist.“
„Das wollen wir bleiben lassen!“
Er sagte das in fast zornigem Ton. Walthern fiel das auf. Er sah den Sprecher an und blickte dann in Mildas Gesicht. Erst jetzt bemerkte er, daß dasselbe leichenblaß war. Er erkannte ebenso den entsetzten, angstvollen Ausdruck ihres Auges. Und als er nun den Blick auf den alten Sepp richtete, sah er, daß dieser den Baron auf eine Weise fixierte, in welcher Haß, Verachtung und Triumph zu gleicher Zeit lagen. Nun kam auch ihm ein Gedanke, unter welchem er fast sichtlich zusammenschreckte. Er griff langsam, fast zitternd nach dem Tisch, auf welchem das Zwanzigmarkstück noch lag, hob dasselbe empor und fragte:
„Sepp, ist die Wette etwa schon gewonnen?“
„Jawohl!“ nickte der Alte.
Milda schlug die Hände vor das Gesicht und sank mit einem Wehlaut auf den Stuhl.
„Ist keine Täuschung vorhanden?“ erkundigte sich Walther mit bebender Stimme.
„Nein. Das Geldl ist mein.“
Das Verhalten der drei mußte dem Baron auffallen.
„Was ist's?“ fragte er. „Warum erschrickst du denn, Milda?“
Sie antwortete nicht und hielt ihr Gesicht verhüllt.
„Nun, darf ich es erfahren?“ wiederholte er in strengem Ton.
Es war ihm keineswegs sehr wohl zumute. Anstatt seiner Tochter antwortete der Lehrer:
„Gestatten Sie, Herr Baron, daß ich Ihnen Auskunft erteile, und zwar in Form einer Frage.“
Als vorhin das Essen begonnen hatte, hatte die Bürgermeisterin jenen verhängnisvollen Brief hinüber auf ein Nebentischchen gelegt. Walther stand auf, holte ihn herbei, legte ihn vor dem Baron hin und fragte:
„Ist Ihnen vielleicht diese Handschrift bekannt?“
Der Gefragte warf einen ganz flüchtigen Blick auf die Zeilen und antwortete stolz:
„Nein. Es scheint auf dieses Papier geregnet zu haben.“
„Ja, und zwar Tausende, Millionen von Tränen. Bitte, gnädiger Herr, betrachten Sie sich die Worte gütigst einmal genauer!“
Der Baron erhob den Kopf mit einem plötzlichen, schnellen Ruck, so wie man es zu machen pflegt, wenn man etwas Unerwartetes zu hören bekommt.
„Warum?“ fragte er.
„Ich glaube, diese Zeilen werden Ihr größtes Interesse erregen.“
„Pah! Welche fremde Korrespondenz könnte den Baron von Alberg interessieren!“
Er schob mit stolzer Bewegung den Brief von sich ab.
Da nahm Milda ihre Hände vom Gesicht fort, stand auf und sagte, allerdings mit tonloser Stimme:
„Ich ersuche dich dennoch, zu versuchen, ob du diese Zeilen zu lesen vermagst.“
„Du auch! Beim Teufel! Was machst du für ein Gesicht? Wie kommst du mir vor?“
Er sprang auch auf.
„Ich muß darauf bestehen, daß du diesen Brief liest!“
„Das klingt ja
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