68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
sehr darum!“
„Man wird vermuten, daß – ah pah! Warum solche Erklärungen? Singen wir! Bitte!“
Sie setzte sich an das Instrument. Er hatte eigentlich keine Lust zum Singen und trat darum nur zögernd an ihre Seite.
„Also nur für mich, nur für mich!“ bat sie. „Denken Sie sich, ich sei diejenige, bei welcher Sie so gern allein sind. Ich will gern hören, ob Sie bei dem Gedanken an mich mit der rechten Innigkeit zu singen verstehen.“
Sie blickte dabei so verführerisch zu ihm auf, daß es ihn heiß überlief. Dann ließ sie die Hände über die Tasten gleiten.
Der volle Arm blickte weiß und bloß bis an die Ellbogen aus dem Spitzenärmel. Er brauchte nur den Blick zu senken, so fand er Halt an dem üppig-vollen Busen, welcher den Stoff des Kleides zu zersprengen drohte. Er fühlte, daß er jetzt imstande sei, mit der von ihm erwarteten Innigkeit zu singen.
„Nun, noch drei Takte“, nickte sie. „Jetzt!“
Er begann mit unterdrückter, schmelzender Stimme:
„Ich bin so gern, so gern allein,
Daheim in meiner stillen Klause.
Wie klingt es doch dem Herzen wohl,
Das liebe, traute Wort ‚zu Hause‘!
Oh, nirgends auf der weiten Welt
Fühl ich so frei mich von Beschwerden.
Ein braves Weib, ein herzig Kind,
Das ist mein Himmel auf der Erden.
Gewandert bin ich hin und her
Und mußte oft dem Schmerz mich fügen.
Den Freudenbecher setzt ich an;
Ich trank ihn aus in vollen Zügen,
Doch immer zog es mich zurück,
Zurück zu meinem heimschen Herde.
Ein braves Weib, ein herzig Kind,
Das ist mein Himmel auf der Erde.
Allabends, wenn der Tag zur Ruh
Und ich mich leg zum Schlummer nieder,
Dann bete ich zum Herrn der Welt;
Es schließen sich die Augenlider,
Ich halte beide Hände fromm
Zu dem, der einstens sprach sein Werde:
Du guter Gott, erhalte doch
Mir meinen Himmel auf der Erde!“
Er hatte mit so unterdrückter Stimme gesungen, daß man es wohl kaum draußen auf dem Korridor oder im Nebenzimmer deutlich hätte vernehmen können. Dies gab seinem Vortrag scheinbar die Seele, welche ihm fehlte. Als die letzten Töne verklungen waren, nahm Asta die Hände von den Tasten und sagte:
„Herrlich. Diese Stimme und dieser Vortrag! Wie soll ich Ihnen danken?“
„Fühlen Sie wirklich das Bedürfnis des Dankes?“
„Gewiß, gewiß! Sagen Sie mir etwas!“
Sie hob das Gesicht zu ihm empor und blickte ihn aus halb verhüllten Augen an, verheißungsvoll und verlockend. Aus ihrem leicht geöffneten Mund glänzten die breiten, aber tadellos glänzenden Zähne zwischen den roten, üppigen Lippen hervor. Er wagte es:
„Ich wüßte einen Dank!“
Er näherte sein Gesicht dem ihrigen.
„Welchen?“
Sie wich nicht zurück.
„Darf ich ihn mir selbst nehmen?“
„Wenn Sie es können!“
„Oh, leicht, nämlich so!“
Er legte seine Lippen auf ihren Mund. Sie hielt den Druck für einen Augenblick aus, schien ihn sogar zu erwidern, zog dann aber ihre Lippen schnell zurück und zürnte:
„Welche Kühnheit! Herr Warschauer, wie können Sie sich das erlauben!“
Ihr Gesicht zeigte aber weniger Zorn, als aus ihrem Ton zu hören war.
„Sie selbst erlaubten es ja!“ antwortete er.
„Konnte ich ahnen, was Sie wollten?“
„Ja, wenn Sie wissen, daß ich Wildschütz gewesen bin, und seit jener Zeit gelüstet mich stets nach Verbotenem.“
„Also nicht nach Erlaubtem?“
„Nein.“
Da lachte sie silbern und meinte:
„So gibt es ja ein sehr einfaches Mittel, sich vor Ihren Küssen sicherzustellen!“
„Das möchte ich kennenlernen.“
„Man braucht es Ihnen nur zu erlauben, dann schweigen Ihre Wünsche.“
„Oh, Ihnen gegenüber niemals.“
„Also wäre ich völlig schutzlos in Ihre Hand gegeben, Sie – Wilderer!“
„Oder umgekehrt, ich in die Ihrige. ‚Halb zog sie ihn, halb sank er hin, da war's um ihn geschehn.‘ So, wie in diesen Goetheschen Strophen ist es mir, wenn ich Ihnen in die Augen blicke.“
Anton hatte während seines Aufenthalts in Wien gar wohl gelernt, sich auszudrücken. Asta schlug ihm ein Schnippchen und kicherte vertraulich:
„Was für Gefährlichkeit könnten meine armen Augen für Sie haben?“
„Die allergrößten. Ich kann in ihren Tiefen ertrinken. Diese blauen, strahlenden, lockenden Sterne, tief und gefährlich wie die blauen Wasser eines Sees! Wer hineinschaut, der kann nie, nie wieder heraus.“
„Wie poetisch! Wem haben Sie dieses Bild abgelauscht?“
„Keinem!“
„Nicht? Und doch ergehen sich unter hundert Dichtern wohl neunzig in diesem
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