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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Vergleich. Hören Sie!“ Und sie trillerte leise: „O du himmelblauer See –! Kennen Sie das?“
    „Nein.“
    „Schade! Es ist auch nur ein einfaches Alpenlied, aber doch so – ah, trauen Sie mir zu, daß ich es Ihnen vorsingen kann?“
    „Gewiß!“
    „Ich habe keine Stimme.“
    „Nach Ihrer Sprache haben Sie einen Halbsopran. Und wenn dieser nicht hinter Ihren anderen Vorzügen zurückbleibt, so besitzen Sie eine kostbare Stimme.“
    „Welch eine Täuschung! Ich schrille wie eine Klarinette!“
    „Das möchte ich bezweifeln. Bitte, bitte, singen Sie es doch! Ja?“
    „Wohl auch nur für Sie allein?“
    „Das möchte ich mir ausbedingen.“
    „Nun wohl, es soll nur Ihnen gelten.“
    Eigentlich hatte er ihr keine gute Stimme zugetraut; darum fühlte er sich auf das angenehmste enttäuscht, als sie jetzt mit leiser, vibrierender und recht angenehmer Stimme begann:
    „Zwischen Felsen, die voll Schnee,
Liegt a himmelblauer See,
Und wer in den See schaut nein,
Sieht das höchste Glück tief drein.
O du himmelblauer See,
Du stillst mein Herzleid nit,
Stillst nit mein Weh!
    Und beim See im Mondesstrahl
Sitzt und singt a Nachtigall.
Und wer's hört, dös G'sang, wie's hellt,
Meint, voll Freuden sei die Welt.
O du Gesang so hold beim See,
Du stillst mein Herzleid nit,
Stillst nit mein Weh!
    Aus der Hütte hint beim See
Guckt a Dirnderl, weiß wie Schnee,
Weiß wie Schnee und rot wie Blut;
Ob dös Dirnderl mir ist gut?
O du himmelblauer See,
Aus ist das Herzeleid,
Aus ist das Weh!“
    Es war eine etwas feste aber doch recht klangvolle Stimme, mit welcher sie dieses anspruchslose Lied sang. Sie ließ die hineingehörenden Jodler fort und gab nur die Melodie. Dabei sang sie mit einem Ausdruck, welcher des Guten zuviel tat, aber bei Anton die beabsichtigte Wirkung mehr als vollauf hervorbrachte. Es ist für einen jungen, lebensfrischen und feurigen Mann gewiß schwierig, gleichgültig zu bleiben, wenn er hinter oder neben einer ebenso jungen Dame steht, welche mit verführerisch ausgewirkten Formen am Klavier sitzt und sich alle Mühe gibt, durch den bestrickenden Klang ihrer Stimme den Eindruck ihrer Reize zu erhöhen.
    Nach dem letzten Ton stand sie schnell auf, so daß sie hart vor ihm zu stehen kam.
    „So! Nun fällen Sie Ihr Urteil!“ sagte sie.
    Ihr Atem fächelte seine Wange. Dieser Hauch hatte etwas gelind Aromatisches. Wäre Anton ein Kenner gewesen, so hätte er sofort erkannt, daß die Dame geröstete Kaffeebohnen gekaut hatte, was man doch nur tut, um einen üblen Atem zu maskieren. In seinem Rausch aber war es ihm, als ob dieser Hauch ihre Seele sei, welche zu ihm überflute, um nun die seinige hinüberzulocken auf Nimmer-, Nimmerwiederkehr. Es gibt wirklich einen Rausch, welcher mit dem Wort ‚schönheitstrunken‘ charakterisiert werden kann, und in diesem Rausch war Anton befangen. Er stammelte beinahe, als er antwortete:
    „Ich soll mein Urteil fällen über Ihren Gesang, gnädiges Fräulein? Ich bin kein Gelehrter. Was ich weiß, das habe ich mir erst in der letzten Zeit aneignen können. Da habe ich auch von jenen wunderbaren Wesen gehört, welche, im Wasser schwimmend, den Schiffer durch die Schönheit ihrer Gestalt und den verlockenden Ton ihrer Stimme so berauschten, daß er sich ohne Bedenken in die Fluten warf –“
    „Sie meinen die Sirenen?“
    „Ja. Ihrem Zauber sollen nach der Sage Tausende verfallen sein, und nur ein einziger entkam ihnen. Er verklebte seinen Gefährten die Ohren mit Wachs, damit sie die Stimme der Sirenen nicht hören konnten. Er aber wollte sie hören, und um da diesen verführerischen Wesen nicht zum Opfer zu fallen, ließ er sich mit festen Stricken an den Mast binden. Er ist der einzige gewesen, der sie singen hörte, ohne verloren zu sein.“
    Sie legte ihm die Hand schmeichelnd auf den Arm und fragte:
    „Und warum erwähnen Sie diese sagenhaften Wesen?“
    „Weil ich Ihnen sagen soll, welchen Eindruck Ihr Gesang auf mich gemacht hat. Sie haben gesungen wie eine Sirene, und da Sie auch viel, viel reizender sind als jene Wesen gewesen sein können, so können Sie sich denken, welchen Eindruck Sie auf mich gemacht haben. Ich befinde mich unter einem Zauber, dem ich mich nicht entziehen kann, obgleich ich sehr wohl weiß, wie gefährlich er für mich ist.“
    „Sie sind ein Schmeichler, ein großer, großer Schmeichler! Wie könnte ich Ihnen jemals gefährlich werden?“
    „Dadurch, daß Sie Gefühle und Wünsche in mir erwecken, für welche sich keine

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