68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
die schändlichsten Verleumdungen hat. Sepp, wie hast du denn ein solches Arrangement mit ihm treffen können?“
„Das kann ich spätern auch derzählen. Jetzundern hab ich einen zu großen Hungern.“
„Hast du denn gewußt, daß er hierherkommen werde?“
„Ja, freilich!“
„So konntest du deine Wette allerdings sehr leicht riskieren.“
„Tun Ihnen die zehn Markerln weh?“
„O nein. Sie sind das allerwenigste, was ich dabei verloren habe. Am meisten hat diejenige verloren, mit welcher du gar nicht gewettet hast.“
Er trat zur Baronesse. Ihre Augen waren trocken und heiß, und ihr Busen ging langsam, aber tief. Es war ein warmer, milder, liebeleuchtender Blick, welchen er in ihr bleiches Angesicht warf. Sie hob die Augen zu ihm auf. Ihr Blick belebte sich an dem seinigen. Das Herz wollte ihm überfließen, und doch wußte er nicht, was er sagen und wie er sie anreden solle.
„Baronesse!“ erklang es halblaut und ungewiß.
Da stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.
„Baronesse? Hast du kein anderes Wort für mich, mein guter Max?“
Da kniete er vor ihr nieder, nahm ihre Hände in die seinigen, blickte mit glückstrahlenden Augen zu ihr empor und flüsterte:
„Milda! Schwester!“
„Mein Bruder! Mein armer, guter Bruder!“
Sie bog sich herab, schlang die Arme um seinen Hals und küßte ihn auf die Stirn.
„Wieviel hast du heut verloren!“ klagte er.
„Nicht mehr als du, nicht mehr!“
„Und doch so entsetzlich viel – den Vater!“
„Der mir nie ein wahrer Vater gewesen ist!“
„Dir durfte er doch einer sein!“
„Er durfte, aber tat es nicht. Es war mir bis heut so manches unklar. Ich lebte still und ohne Aufmerksamkeit hin. Heut bin ich so plötzlich erleuchtet worden, und nun sehe ich hell. Ich glaube, meine liebe, liebe Mutter, welche ganz plötzlich starb, ist auch nicht glücklich gewesen. Doch weg mit solchen Gedanken. Habe ich viel verloren, so habe ich auch viel, ja mehr noch gefunden, einen – Bruder, Gott, einen Bruder!“
Sie sprach das Wort erst leise, dann aber stärker wie ein Jubel aus.
„Und ich fand eine Mutter und eine Schwester! An einem einzigen Tage! Ist das nicht des Glückes gar zu viel?“
„Nein. Der Mensch kann nie zu sehr glücklich sein, und euch beiden ist dieses Glück ja recht gern zu gönnen. Aber sag, mein lieber Max, willst du wirklich auf den Namen, welcher dir gehört, verzichten?“
„Unbedingt!“
„Dann verzichte ich auch!“
„Bei dir ist dies nicht gut möglich. Ich habe einen andern, du aber nicht. Und hast du wirklich die Absicht, dich von deinem – Vater völlig loszusagen?“
„Ja. Ich kann es nicht beschreiben, was ich gegen ihn empfinde. Mein Entschluß mag ganz gegen die menschliche oder weibliche Natur sein, und doch ist er nicht natürlich, sondern sehr tief in meiner Empfindung begründet. Es ist nicht Haß, was ich gegen den bisherigen Vater fühle.“
„Aber Verachtung?“
„Auch nicht, sondern etwas noch Schlimmeres.“
„Was könnte noch schlimmer sein als Verachtung, liebe Schwester?“
„Ekel!“
„Ja, ja, das ist das allernegativste Gefühl, dessen der Mensch fähig ist. Herrgott! Eine Tochter, welcher vor dem Vater ekelt! Es ist entsetzlich! Er wird alle Mittel in Bewegung setzen, um zu verhindern, daß du dein Vorhaben ausführst.“
„Es wird ihm nichts nützen. Ich fühle, daß ich stark genug bin, es mit ihm aufzunehmen. Und selbst wenn ich nicht stark genug wäre, so hätte ich doch einen starken Helfer, auf welchen ich mich verlassen kann.“
„Wer ist das?“
„Du bist es. Der Bruder wird doch seiner Schwester beistehen, Max!“
„Mit allen Kräften!“
„So komm, und setz dich her zu uns! Wir wollen überlegen, welche Schritte ich zu tun habe.“
Er mußte zwischen Mutter und Schwester Platz nehmen, und nun entwickelte sich eine jener Szenen, für deren wahrheitstreue Schilderung der Pinsel keine Farben und die Feder keine Wörter hat. Jedes suchte die andern in Liebeserweisungen zu überbieten.
Die Zeit verging, Sepp saß noch immer am Tisch. Der halbe ‚marinierte‘ Hering war längst mit den Backpflaumen verschwunden, und anderes war gefolgt. Er hatte gegessen und gekaut und geschluckt, bis gar nichts mehr vorhanden war. Dann aber gab es auch keine weiter Beschäftigung und keinen Vorwand mehr, die anderen nicht zu beachten. Er schaute nach der Uhr.
„Himmelsakra!“ entfuhr es ihm.
„Was gibt's, Sepp?“ fragte Max.
„Es ist schon weit über
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