68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
ich bis an das Ende der Welt gehen.“
„Nun, eine solche Anstrengung verlange ich nicht von Ihnen. Kommen Sie also zu mir. Ich wohne natürlich drüben in der Damenabteilung. Sie werden die zweite Tür des Korridors rechts nur angelehnt finden.“
„Und wann?“
„Sobald Milda mit dem Baron nach Hause gekommen ist und alle schlafen gegangen sind.“
Diese Abmachung wurde noch mit einigen Küssen besiegelt, welche das üppige Mädchen nicht empfing, sondern gab. Dann trennten sie sich.
Anton ging von da an ruhelos in seinem Zimmer auf und ab. Er konnte den Augenblick des Stelldicheins kaum erwarten. Er dachte nicht an Leni; er stellte also auch nicht einen Vergleich an zwischen dieser und der koketten Aristokratin. Er befand sich überhaupt gar nicht in der Lage, zu vergleichen, denn sein Denkvermögen war absorbiert von dem einzigen Gedanken an die zärtlichen Stunden, welche ihn erwarteten.
Er war überzeugt, daß Asta ihn wirklich liebe. Oder mußte sie ihn nicht lieben, wahr und heiß, da sie sich ihm so ganz ohne alle Gegenwehr zu eigen gab? Daß eine Baronesse ihm ihr Herz geschenkt hatte, eine Baronesse, welche ein jeder nur ihrer Schönheit allein wegen gern errungen hätte, das machte ihn förmlich betrunken. Durch diese Bekanntschaft, diese Liebe stieg er ja gleich eine ganze Reihe von Stufen empor aus der Armut und Niedrigkeit zur Höhe und zum Reichtum.
Leider wurde seine Geduld auf eine harte Probe gestellt, da Milda so spät von der Bürgermeisterin zurückkehrte. Dann aber, als tiefe Ruhe und Stille im Schloß herrschte, schlich er sich leise und vorsichtig zu seiner Sirene.
Das war der Schatten, welcher über den Korridor gehuscht war.
Die Ruhe, welche soeben erwähnt wurde, war eine nur scheinbare, denn außer den beiden Liebenden schliefen noch zwei andere nicht: der Baron und Milda.
Der erstere war zu aufgeregt durch die Szene, welche er bei seiner einstigen Geliebten erlebt hatte. Er war blamiert worden in einem fast unmöglichen Grad. Seine Tochter hatte sich von ihm losgesagt und ihm sogar das Schloß verboten. Was war da zu tun? Bitten und gute Worte geben? Unmöglich! In diesem Fall hätte er unbedingt Max Walther als seinen Sohn anerkennen müssen, und das fiel ihm auf keinen Fall ein. Er nahm sich also vor, streng aufzutreten und auf seine Rechte nicht zu verzichten. Aber über das wie war er sich nicht klar, und das Nachdenken darüber ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.
Und Milda konnte ebensowenig schlafen wie er. Der Gedanke, den Vater aufgeben zu müssen, machte sie unglücklich, obwohl sie sich niemals mit kindlicher Innigkeit hatte an ihn schließen können. Die Trauer darüber wurde freilich reichlich aufgewogen durch den beglückenden Gedanken an Max. Einen Bruder gefunden zu haben, und zwar einen solchen, dessen Persönlichkeit ihr sofort eine herzinnige Zuneigung abgezwungen hatte, das war ja ein höchst beseligendes Gefühl!
Und ganz natürlich gedachte sie dabei auch seiner Mutter, welche so viel gelitten hatte. Sie fühlte sich so glücklich bei dem Gedanken, dieser Frau Ersatz bieten zu können für die leidvolle Vergangenheit. Sie wollte ihr eine Tochter, eine liebevolle Tochter sein; sie war ja doch seit den ersten Jahren ihres Lebens eine mutterlose Waise gewesen.
Sie hakte das Medaillon, welches sie an einer goldenen Kette am Hals trug, los und öffnete es. Die goldene Kapsel enthielt das Miniaturporträt der Verstorbenen. Sie betrachtete es mit liebevollem, feuchtem Blick, wie sie es schon tausend-, tausendmal betrachtet hatte. Es waren so milde, freundliche Züge; aber diese Freundlichkeit war keine glückstrahlende, sondern eine trübe, wohl nun augenblickliche. Es sprach aus diesem Angesicht so viel Enttäuschung und schmerzliche Entsagung, daß der Beschauer sofort zur herzlichsten Teilnahme veranlaßt wurde.
„Meine Mutter, meine liebe, liebe, arme, gute Mutter“, flüsterte Milda. „Erst jetzt verstehe ich den herben, wehmütigen Zug, den selbst dein mildes Lächeln nicht verbergen kann. Du hast viel und still gelitten. Das begreife ich nun. Du bist längst erlöst; aber wenn dein Geist jetzt bei mir weilt, so wirst du begreifen, was ich heute empfunden habe. Es ist so schwer, so sehr schwer, auf den Vater verzichten zu müssen. Weile immerfort bei mir und hilf es mir tragen!“
Sie preßte das Bild an ihre Lippen. Als sie es dann an seine Stelle wieder zurückstecken wollte, mochte sie es an einem Punkt, welchen sie bisher noch nicht so fest
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