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68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron

Titel: 68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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stand am Eingang.
    „Verzeihung, gnädiges Fräulein! Ich soll nachschauen, ob Sie bereits wach sind.“
    „Wer befahl es?“
    „Der Herr Baron.“
    Bereits hatte sie den Befehl auf ihren Lippen, daß sie nicht zu sprechen sei, aber sie stieß doch auf einen Grund, diesen Entschluß zu ändern.
    „Sagen Sie ihm, daß ich wach und zu sprechen bin!“ befahl sie.
    Doch blieb sie, als der Diener sich entfernt hatte, ruhig auf ihrem Stuhl sitzen. Auch als dann nach wenigen Minuten ihr Vater eintrat, machte sie keine Miene, sich zu erheben. Er warf einen finstern, forschenden Blick in ihr bleiches, übernächtigtes Gesicht und sagte, ohne ihr einen guten Morgen zu wünschen:
    „Kannst du mich nicht begrüßen?“
    Sie blickte durch das Fenster und antwortete, ohne ihr Auge auf ihn zu richten:
    „Ich glaube, gehört zu haben, daß es stets der Eintretende ist, welcher zu grüßen hat.“
    „Auch wenn dieser Eintretende der Vater ist?“
    „Dann vielleicht nicht.“
    „Nun –“
    „Dieser angenommene Fall kann bei mir nicht stattfinden. Ich habe Ihnen bereits gestern mitgeteilt, daß ich keinen Vater mehr habe. Ich bin Waise.“
    Er trat schnell näher zu ihr heran.
    „Hoffentlich fällt es dir nicht ein, diese unsinnige Faxe weiterzuspielen!“
    „Sie mag unsinnig sein oder nicht, so gebe ich sie nicht auf. Es ist schade, darüber auch nur ein einziges Wort zu verlieren. Vermutlich sind Sie in einer rein finanziellen Angelegenheit zu mir gekommen?“
    „Nein. Ich komme als Vater, welcher zu befehlen hat. Ich verlange unbedingt, daß –“
    Er hielt inne. Sie war langsam aufgestanden, hatte sich zu ihm herumgewendet und richtete nun ihr Auge mit einem so ernsten, hoheitsvollen Blick auf ihn, daß er verstummte.
    „Herr Baron“, sagte sie langsam und jedes Wort schwer betonend, „wollen Sie die Frau Bürgermeisterin Holberg zur Baronin von Alberg machen?“
    „Alle Teufel! Das fällt mir nicht ein!“ rief er aus.
    „Wollen Sie den Lehrer Max Walther als Ihren Sohn anerkennen?“
    „Daß ich albern wäre! Überhaupt verbitte ich mir solche Fragen. Ich muß am besten wissen, was ich zu tun habe, und am allerwenigsten kannst du es sein, von der ich mir –“
    „Und noch eine Frage!“ fiel sie ihm in die Rede, indem sie an das Schreiben ihrer Mutter dachte, welches sie im Medaillon bei sich trug. „Wollen Sie mir sagen, ob Sie eine Dame namens Emilie von Sendingen kennen?“
    Er wechselte die Farbe und trat um einen Schritt zurück.
    „Nun?“ fragte sie, als er zögerte, ihr eine Antwort zu erteilen.
    „Nein“, antwortete er, „ich kenne sie nicht.“
    „Und haben Sie sie auch nicht gekannt?“
    „Nein.“
    „Ich merke, daß Sie zu allem, was ich Ihnen vorzuwerfen habe, nun auch noch die offenbare Lüge fügen! Ach!“
    Sie tat den letzten Ausruf in einer Weise, wie man sich von irgend etwas ganz Verächtlichem abwendet. Dadurch wurde seine Verlegenheit in Zorn verwandelt.
    „Höre“, sagte er in drohendem Ton, „ich sage dir jetzt allen Ernstes, daß das Theater endlich aus sein muß. Ich habe keine Lust, mich von dir als Hanswurst behandeln zu lassen!“
    „Das tue ich auch nicht. Wären Sie nur Hanswurst, so könnte ich Sie doch wenigstens bemitleiden. Sie spielen aber die undankbare und moralisch abstoßende Rolle des Intriganten. Sie sind der Mephisto, dessen Anblick einem jeden Guten zuwider ist. Und da Sie gesonnen sind, diese Rolle nicht aufzugeben, so kann unmöglich der Vorhang fallen. Der letzte Akt ist ja noch nicht zu Ende.“
    „Er wird bald zu Ende gehen, noch heut oder bereits noch heut morgen.“
    „Zu Ende? Oh, er hat noch gar nicht begonnen, sondern er wird erst in dem Augenblicke beginnen, an welchem Sie sich auf jene Emilie von Sendingen besonnen haben.“
    „Donnerwetter! Wer kann sich auf jeden Namen besinnen, den man während eines vielbewegten Lebens vielleicht einmal gehört hat!“
    „Vielleicht? Und nur einmal?“
    „Mehrmals gewiß nicht, denn sonst könnte ich mich besinnen. Mein Gedächtnis gehört ja nicht zu den aller schlechtesten. Übrigens, wie kommst du dazu, mich nach diesem Frauenzimmer zu fragen?“
    „Um über sie Auskunft von Ihnen zu erhalten.“
    „Tut mir leid!“ lachte er höhnisch. „Ich kann da beim besten Willen nicht dienen.“
    „Besinnen Sie sich gefälligst!“
    „Wird ganz ohne Erfolg sein.“
    Sie standen sich nicht wie Vater und Tochter gegenüber, sondern wie feindliche Diplomaten, welche auf der Bühne sich anstrengen,

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