68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
es seine Meinung gewesen, daß die Frau sich jetzt vor ihm fürchten werde, so hatte er sich geirrt. Sie hatte natürlich nicht geglaubt, daß er sie so schnell angreifen werde. Überrascht war sie von ihm geworden, aber Angst hatte sie dennoch nicht vor ihm.
„Jetzund bist wohl Herr über mich?“ fragte sie.
„Ja. Du bist in meiner Gewalt.“
„Kannst das beweisen?“
„Ja, indem ich dich derwürg oder niederschlag.“
„Nun, das kannst mal versuchen!“
Sie blickte ihm mutig entgegen und schob die Laterne mit dem Fuß so zur Seite, daß er nicht zu dem Licht gelangen konnte, ohne an ihr vorüberzugehen.
„Meinst, daß ich's nicht tu?“
„Ich glaub schon. Aber ringen wirst doch mit mir müssen. Ich hab zwei Arme und du nur noch einen. Verbunden bist auch an der Wund, die du hast. Das reiß ich dir sogleich aufi. Werden wohl sehen, wer das Übergewicht erhält, du oder ich.“
Er sah gar wohl ein, daß sie recht hatte. Auf einen Kampf mit ihr konnte er es kaum ankommen lassen. Aber er war dennoch nicht verlegen.
„Ich brauch mich mit dir gar nicht zu raufen“, sagte er. „Ich brauch nur zu gehen und die Tür zu schließen. Da steckst hier drin und mußt elend verhungern und verschmachten.“
„So! Ja, du bist ein sehr Kluger! Geh nur immer und schließ mich eini! Ich hab gar nix dagegen. Ich werd dich gar nicht hindern, fortzugehen. Aber ich komm gar bald hinter dir her!“
„Meinst, daßt von innen aufimachen kannst?“
„Jawohl.“
„Das möcht ich wohl sehen!“
„Ich kann es dir ja sagen. Schau, Licht hab ich da, und hier in dem Sack steckt ein Hammer. Mit dem zerschlag ich die Tür, dann bin ich draußen.“
„Den Sack werd ich dir wohl hierlassen. Den nehm ich schon mit!“
Aber der Sack lag neben der Bank, da, wo die mutige Frau stand. Sie setzte den Fuß darauf und entgegnete:
„Versuch es doch einmal! Wer ihn haben will, der mag herkommen und sich bücken, um ihn wegzunehmen.“
„Teufelsweib!“ knirschte er.
„Nicht wahr, jetzt siehst ein, daß es nicht so leicht ist wie früher und damals, die Arme zu betrügen! Willst raufen mit mir?“
Er sah ein, daß es unmöglich war, sie anders als durch einen direkten Angriff unschädlich zu machen. Er brauchte sie nur anzufassen und hinaus in das Wasser zu stoßen. Sie mußte von der tosenden Flut fortgerissen und getötet werden.
„Ja!“ schrie er wütend. „Ich rauf mit dir!“
Er sprang auf sie ein, um sie bei der Kehle zu erfassen. Sie machte eine schnelle Seitenbewegung, so daß es ihm nur gelang sie beim Arm zu ergreifen. Da riß sie sich los und versetzte ihm einen Stoß, daß er an den Schrank taumelte.
„Da hast's!“ rief sie. „Jetzunder werd ich dich einschließen, anstatt du mich!“
Sie wollte hinauseilen. Gelang es ihr, ihre Drohung wahr zu machen, so war es um ihn geschehen. Darum tat er einen schnellen Sprung nach ihr, und es gelang ihm, sie zu erfassen und zurückzureißen.
„So! Geh doch hinaus! Schließ mich doch eini!“ höhnte er, indem er sie zurückschleuderte. „Du bist's, die verspielen wird.“
Er erhob die geballte Faust zum Schlag. Sie aber sprang blitzschnell auf ihn ein und stieß ihm ihre beiden Fäuste so an den Leib, daß er taumelte und dann niederstürzte. Sie warf sich sofort auf ihn, und nun begann ein stilles, wortloses, aber angestrengtes Ringen zwischen dem schwachen, aber mutigen Weib und dem riesenstarken, doch einarmigen Mann. Mit ihren blitzschnellen Bewegungen war sie ihm, mit seinen kraftvollen Faustgriffen aber er ihr überlegen. Es war ihm gelungen, sie bei der Gurgel zu fassen. Er drückte ihr dieselbe zu. Sie wehrte sich in der Verzweiflung des Todes. Zwar kratzte sie mit ihren Nägeln sein Gesicht tief auf, aber er ließ sie nicht wieder los. Er wußte, daß sie ihn nur leicht verwunden könne, während sie, wenn er nur die Faust fest zusammendrückte, in wenigen Augenblicken eine Leiche sein mußte.
Sie machte noch eine letzte, konvulsivische Anstrengung, sich zu befreien – vergeblich!
„Kratz nur, Teufelskatze!“ brüllte er. „Wirst im Leben nicht mehr kratzen! Heut ist's das letzte Mal! In die Höll mit dir!“
„Noch nicht sogleich!“ ertönte eine Stimme am Eingang.
Eine Gestalt schnellte herbei, bog sich über ihn nieder und riß seinen Arm von der Frau zurück. Der Silberbauer war so erschrocken, daß er vergaß, sich zu bewegen. Er starrte wie abwesend in das Gesicht des unerwarteten Ankömmlings, der gerade noch im letzten Moment
Weitere Kostenlose Bücher