68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
endlich trat er hin zu dem Busch, welcher den freien Raum maskierte, der sich zwischen dem Gemäuer des Wehres und dem Wasserbogen befand, welcher von dem ersteren herabschoß.
Ein Zündholz leuchtete auf. Sie sah bei dem Schein desselben ganz deutlich, daß eine kleine Laterne an der Erde stand, deren Lämpchen der Silberbauer anbrannte. Ebenso deutlich sah sie, daß er dann sich tief niederbückte, um unter den Zweigen des Busches hinwegzukriechen und dann zu verschwinden.
Dieses Verschwinden war ihr völlig unbegreiflich. Sie, als einfache Frau, konnte sich nicht sagen, daß hinter dem Wehr ein wasserfreier Raum sein müsse. Aber sie stellte gar keine Betrachtungen an. Sie eilte sofort dahin, wo er verschwunden war, bückte sich nieder und blickte unter den grünen Zweigen hindurch.
Da sah sie ihn mit dem Laternchen langsam zwischen der Wehrmauer und der Wasserflut dahinschreiten. Er machte eine Tür auf und war dann nicht mehr zu sehen.
Rasch entschlossen folgte sie ihm. Sie fragte nicht, ob die Passage hier mit Gefahren verknüpft sei. Sie wollte sehen und wissen, was er da drin zu tun habe, und da konnte kein Bedenken sie zurückhalten. Zwar war es jetzt dunkel in der kühlen, von Wasserdunst geschwängerten Passage; aber sie hatte ja vorhin beim Schein seiner Laterne gesehen, wie man gehen müsse, um nicht in den Strom zu geraten. Sie hielt sich so weit rechts wie möglich, eng an die Mauer, tappte sich langsam und vorsichtig an derselben hin und erreichte so die offene Tür. Langsam schob sie den Kopf vor, um hineinzublicken.
Der Silberbauer hatte den Jagdrock abgenommen und auf die früher bereits erwähnte Bank gelegt. Er stand vor dem offenen Kästchen und hatte den wertvollen Talerschein in der Hand. Ihn betrachtend, murmelte er Worte vor sich hin, welche die Lauscherin wegen des Wasserrauschens nicht zu hören vermochte. Dann legte er den Schein in den Kasten, bückte sich nieder und hob den Hammer auf. Auch ihn betrachtete er, und zwar mit einer Art grimmigen Behagens. Seine Lippen bewegten sich. Sie hätte viel darum gegeben, wenn sie die Worte, welche er sprach, hätte verstehen können.
Jetzt warf er den Hammer weg, in denselben Kasten hinein, und zog einen Schlüssel aus der Tasche. Er trat zum Schrank, um denselben zu öffnen. Es ging nicht rasch. In dieser feuchten Atmosphäre rostete das Schloß natürlich sehr leicht, und es war also schwer zu öffnen. Nur unter großer Anstrengung gelang es ihm, mit seinem einen Arm den Schlüssel im Schloß zu drehen. Knarrend und kreischend tat sich die Türe auf. Die Lauscherin sah, daß der Schrank aus mehreren Abteilungen bestand. In der unteren stand ein länglich viereckiger Kasten, an welchem sich ein großes Hängeschloß befand. Die beiden anderen Abteilungen, welche nicht dieselbe Größe besaßen, waren mit Zigarrenkistchen angefüllt. Jedenfalls aber befanden sich keine Zigarren in denselben, denn sie wären in der hier herrschenden Feuchtigkeit binnen kurzer Zeit verdorben.
Der Müller hob zunächst den Kasten hervor und auf die Bank. Dann zog er einen Schlüssel aus der Tasche, um das Hängeschloß zu öffnen. Als ihm dies gelungen war und der Kasten geöffnet vor ihm stand, ruhte sein Blick mit gierigem Ausdruck auf dem Inhalt desselben. Dann begann er, diesen Inhalt in den Jagdsack zu stecken. Die Frau sah deutlich, daß es lauter Goldrollen waren.
Es dauerte eine geraume Zeit, bevor der Kasten leer war. Dann nahm er einige der Zigarrenkistchen her und schüttete den Inhalt derselben, welcher in Briefen und anderen Skripturen zu bestehen schien, auch in den Sack. Sodann nahm er den bereits erwähnten Hammer und den Fünfhunderttalerschein, um beides auch mit hinein zu tun. Jetzt schien er fertig zu sein, denn er schloß den Schrank wieder zu und lud sich den Sack auf die Schulter, was ihm, da er nur noch den einen Arm besaß, nicht leicht wurde. Dann drehte er sich um, um zu gehen.
Bis jetzt hatte die Frau an der Ecke der Tür gestanden; jetzt aber trat sie hervor. Der Schein der Laterne fiel auf sie. Er sah sie und stieß einen lauten Schrei aus. Er war geisterbleich geworden. Seine Augen schienen aus ihren Höhlen treten zu wollen. Die Hand sank ihm herab, und da er mit derselben den Sack unterstützt hatte, so fiel dieser ihm vom Rücken herab und auf die Erde nieder.
„Anna!“ schrie er auf.
„Silberbauer! Was treibst hier im Verborgenen?“
Er stütze sich mit der Hand an die Wand.
„Bist's wirklich?“ stöhnte er
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