68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
mich auch einige Male heimlich. Dann blieb er aus, und auch seine Briefe kamen immer seltener. Ich hatte gegen Ende des Winters zu meinem Schreck gefühlt, daß der innige Umgang mit ihm nicht ohne Folgen geblieben sei, und es ihm mitgeteilt, aber keine Antwort erhalten. Meine Briefe wurden gar nicht mehr von der Post abgeholt und kamen zurück. Ich begann zu ahnen, daß ich meine Liebe einem Unwürdigen geschenkt hatte.“
„Freilich. Dasselbige hab ich schon längst geahnt.“
„Ich suchte natürlich meinen Zustand zu verbergen. Im Anfang des Juni ging meine Dame wieder ins Bad, aber in ein anderes, nämlich nach Eger.“
„Und Sie mit?“
„Ja. Zu meiner freudigen Überraschung begegnete ich – meinem Geliebten.“
„Himmelsakra! Was hat er sagt?“
„Er zeigte eine große Freude und entschuldigte sein Schweigen damit, daß er ganz plötzlich eine Reise nach Petersburg habe antreten müssen und jetzt erst zurückgekehrt sei. Er beteuerte mir, daß er nun im Begriff gestanden habe, mich aufzusuchen, und ganz glücklich sei, mich so unerwartet gefunden zu haben.“
„Na, wer's glaubt!“
„Ich liebte ihn ja, und darum glaubte ich es.“
„Ja, die Lieb ist das schönste, aber auch das dümmste Ding auf Gottes Erdboden!“
„Natürlich teilte ich ihm meine Sorgen mit. Ich hatte höchstens noch drei Wochen Frist und konnte es nicht über mich gewinnen, meinen Zustand der Herrin oder gar meinem Vater mitzuteilen. Er ging leichthin darüber weg und tröstete mich mit dem Versprechen, die Angelegenheit auf das Befriedigendste zu arrangieren.“
„Da gab's halt nur eins: Er mußt Sie heiraten.“
„Das war ja unmöglich, weil seine Tante noch lebte, wie er sagte. Aber er zeigte mir so viel Liebe, daß ich mich beruhigte und ihm versprach, ganz nach seinem Willen zu handeln.“
„Na, da bin ich halt fast neubegierig, was sein Wille gewest sein wird!“
„Grad zu dieser Zeit bekam ich einen Brief, in welchem mir Vater meldete, daß die Schwester sehr krank geworden sei. Auch ihn hatte der Verlust seines Vermögens außerordentlich angegriffen. Er fühlte sich schwach und wünschte, daß ich schleunigst zu ihm kommen möge, um mich seiner und der Schwester anzunehmen. Das sagte ich dem Geliebten. Er fand, daß dieser Brief grad zur günstigsten Zeit komme. Ich mußte ihn meiner Herrin zeigen und erhielt sogleich meine Entlassung.“
„Und auch ein Geldl dazu?“
„Nein. Ich war im Vorschuß, da ich sehr oft kleine Summen nach Hause gesandt hatte. Das Gehalt, welches Vater bezog, war sehr niedrig.“
„So sind 'S also nach Haus gangen?“
„Nein. Herr von Walther hatte sich nach einer nicht zu fernen Stadt gewandt, in welcher eine Hebamme Annoncen, wie man sie oft zu lesen pflegt, in den Blättern veröffentlichen ließ. Sie nahm Damen, welche ihre Entbindungen in diskreter Weise halten wollten, bei sich auf. Zu ihr mußte ich. Als ich mich drei Wochen bei ihr befand, war ich Mutter eines wunderhübschen kräftigen Knaben geworden, und – das Geld, welches Walther mir gegeben hatte, war alle. Natürlich glaubte ich, daß er kommen werde. Er kam auch und wohnte einige Tage lang im besten Hotel des Ortes. Da wurde das Kind auf den Namen Max getauft.“
„Also Max von Walther? Hm!“
Er nickte nachdenklich vor sich hin.
„Was hast du, Sepp? Du machst jetzt wieder ein Gesicht grad wie vorhin.“
„Ja, dies Gesichtern mach ich allemalen, wenn ein Kind tauft wird, Frau Bürgermeisterin.“
„Ich verstehe dich nicht. Ich war an jenem Tag ganz glücklich. Mein Verlobter sprach von unserer Hochzeit, und als wir so allein in der kleinen Stube beisammen saßen, ich mit dem kleinen Max auf dem Arm, eine glückliche, hoffnungsvolle Mutter, da ertönten aus dem Gärtchen herauf die Töne eines Ständchens, welches er mir und dem Kind bringen ließ. Der Garten lag abgeschieden, und es war nur ein Streichquartett; darum machte dieses Ständchen gar kein Aufsehen, keine Störung im Ort, ich aber fühlte mich um so entzückter darüber.“
„Na, den Kerlen begreif ich jetzt fast nicht. Ich trau ihm gar nix Gutes zu, und doch läßt er gar ein Ständchen geigen! Hm!“
„Es war das erste und wohl auch das letzte, welches man dem Kind gebracht hat.“
Und sich an das Lied erinnernd, welches der Krickel-Anton gesungen hatte, fügte sie traurig hinzu:
„Ich höre nichts, ich sehe nichts,
O schlummre fort, so lind,
Man bringt dir keine Ständchen jetzt,
Du armes, armes Kind!“
Sie schwieg.
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