7 Minuten Zu Spät
sich am Geländer fest, als sie so schnell wie möglich die Treppe hinunterging. Auf der letzten Stufe versagten ihr die Beine den Dienst, und sie wäre beinahe gestürzt, wenn Simon sie nicht aufgefangen und sicher gehalten hätte.
»Langsam«, sagte er. »Lass es ganz ruhig angehen.«
Er streckte die Hand aus, und Alice sah, dass sein goldener Ehering ganz verschrammt war. Hatte er ihn nie abgelegt? »Jetzt komm«, sagte er.
Alice stand auf und ging, gestützt von Simon, die Clinton Street in Richtung ihrer alten Wohnung entlang.
»Wo sollen wir suchen, Alice?«
»Ich glaube, wir sollten zur President Street gehen, das ist die einzige Adresse, die sie sich gemerkt haben.«
Sie wohnten noch nicht lange genug bei Simon, als dass sich die Kinder diese Adresse hätten einprägen können. Mike und sie hatten zwar schon begonnen, ihnen ihre neue Adresse am Third Place beizubringen, aber an das Naheliegendste hatten sie dummerweise nicht gedacht.
»Sollten wir nicht die Court Street entlanggehen?«, fragte Simon.
»Ja, okay«, stimmte Alice zu. »Vielleicht sind sie ja in ein Geschäft gegangen.«
Sie gingen in jeden Laden auf der Court Street und fragten, ob zwei Kinder, ein kleiner braunhaariger Junge und ein etwas größeres blondes Mädchen, da gewesen seien. Die Antwort lautete immer wieder Nein. Was ist denn los?, fragten die Leute. Die Polizei war auch schon hier und hat uns dieselbe Frage gestellt. Simon blieb auf der Straße, hielt die Augen offen und sprach jeden Bekannten an, der vorbeikam. Aber niemand hatte die Kinder gesehen. Sie gingen weiter, so schnell Alice konnte. Der Schweiß lief ihr übers Gesicht. Sie waren jetzt ganz in der Nähe der President Street, bei ihrem alten Haus. O Kinder, flehte sie im Stillen, bitte seid da, bitte seid da.
Keuchend marschierte sie vorwärts. »Langsam«, ermahnte Simon sie und packte sie am Arm. Aber sie achtete nicht auf ihn und ging immer weiter, bis sie schließlich fast vor ihrem Haus war. Mikes hastig geparkter Lieferwagen stand dort, mit weit offener Fahrertür und laufendem Motor. Vor dem Pick-up stand ein Polizeiwagen mit blinkendem Blaulicht.
Vom Park her ertönte eine Sirene, und ein weiterer Polizeiwagen bog um die Ecke und hielt hinter Mikes Auto. Alice und Simon begannen zu laufen.
»Mike!«, schrie Alice. Ihre Stimme schien vom Pflaster widerzuhallen. »Mike!«
»Alice!« Da war Mike. Und dann, im Duett, vom Spielplatz her: »Mommy!«
Simon rannte an ihr vorbei, und Alice keuchte hinter ihm her, so schnell es ihr schwerer Bauch zuließ. Nachbarskinder und ihre Mütter und Babysitter hatten sich versammelt und beobachteten die Szene. Alice blickte sich suchend nach den Kindern um.
»Mommy!«, rief Peter lachend. »Hier sind wir! Siehst du uns denn nicht?«
Er hatte sein Gesicht gegen die Eisenstäbe gedrückt, die den Bereich für die großen Kinder auf dem Spielplatz abtrennten. Er kniete rückwärts auf einer Bank, und neben ihm schmiegte sich Nell an Mike. Auch sie drehte sich jetzt um und winkte. Alice stürmte durch das Tor und riss ihre Kinder in die Arme.
»Sylvie hat sie während des Unwetters ins Autumn Café gebracht«, sagte Mike, als Alice den Kopf hob. Seine Augen waren nass, auch er hatte geweint.
Das Autumn Café, wo sie zahllose Nachmittage mit ihren Freundinnen verbracht hatte. Die Kinder waren in dem Laden praktisch aufgewachsen, und man kannte sie dort mit Namen.
Simon stand neben der Bank und blickte lächelnd auf seine wiedervereinten Freunde. »Ich rufe Maggie an und sage ihr Bescheid«, erklärte er.
»Sie weiß es wahrscheinlich schon«, erwiderte Mike.
»Frannie hat gerade vom Revier aus angerufen. Sie sagte, wir sollten mit den Kindern zurück zu dir gehen. Sie kommt auch zum Haus, damit sie selbst mit ihnen reden kann.«
»Sylvie hat gesagt, sie kommt gleich zurück.« Nell zuckte mit den Schultern. Ihr dunkelrotes T-Shirt war vorne völlig durchnässt, und auch Peter sah so aus, als seien sie lange im Regen umhergeirrt.
»Wie lange wart ihr denn allein?« Alice fuhr mit den Fingern durch Peters Haare, die ihm in die Stirn fielen. Peter zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht.«
»Hat euch denn niemand gefragt, warum ihr allein seid?« Sie wollte nicht direkt fragen, ob die Polizei sie im Café gefunden hatte oder erst auf dem Spielplatz, sondern hoffte, dass die Kinder es von sich aus erzählen würden.
Nell zuckte erneut mit den Schultern. »Wir sind nach Hause gegangen, als es aufgehört hatte zu
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