7 Werwolfstories
konnte man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen, daß irgend jemand das geheimnisvolle Wort laut aussprach. Es war die vielbegehrte Blondine, die es tat.
»Absarka«, sagte sie verwundert.
Und da stand Professor Wolfe Wolf und lächelte seine Klasse freundlich an.
Der einzige Schönheitsfehler war nur: Sein Anzug lag im Berkeley-Hotel, und er stand splitternackt auf dem Podium. Zwei seiner besten Studentinnen kreischten auf, eine fiel in Ohnmacht. Die Blondine kicherte anerkennend.
Emily konnte es kaum glauben und bemitleidete ihn.
Professor Fearing war mitfühlend, aber reserviert.
Der Institutsdirektor war kühl.
Der Dekan der philosophischen Fakultät war frostig.
Der Rektor der Universität war eisig.
Wolfe Wolf war arbeitslos.
Und Heliophag von Smyrna hatte recht. »Die Essenz der Magie ist Täuschung.«
»Aber was soll ich tun?« klagte Wolf in sein Zombie-Glas hinein. »Ich bin verraten und verkauft. Gloria kommt morgen nach Berkeley, und was bin ich? Ein Nichts. Nur ein nutzloser, wertloser Werwolf. Damit kann man keine Frau ernähren. Oder eine Familie. Man kann – man kann nicht mal einen Heiratsantrag machen. – Ich will noch einen. Wollen Sie nicht doch noch einen?«
Ozymandias der Große schüttelte sein rundes, bärtiges Haupt. »Das letztemal, als ich zwei Drinks hatte, fing die ganze Geschichte an. Es ist besser, wenn ich mich beherrsche. Aber, Kollege, Sie sind ein gesunder, kräftiger, junger Mann. Es sollte Ihnen doch gelingen, irgendwo Arbeit zu finden.«
»Wo? Ich bin nur für eine Universitätslaufbahn ausgebildet, und damit ist es nach dem letzten Skandal endgültig aus. Welche Universität würde jemanden nehmen, der nackt im Hörsaal erscheint und sich noch nicht einmal mit Volltrunkenheit entschuldigen kann? Und wenn ich mich nach einer anderen Stellung umsehe, muß ich Referenzen angeben und den Leuten erzählen, was ich bisher gemacht habe. Wenn man dann nachfragt … Ozzy, ich bin ein verlorener Mann.«
»Nur nicht verzweifeln, Kollege. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß man durch Zauberei in schlimme Situationen geraten kann, daß es aber immer einen Ausweg gibt. Wenn ich an den Abend in Darjeeling denke …«
»Aber was kann ich tun? Ich werde wie Konfuzius, der Wer-Chow-Chow, enden und von Almosen leben müssen, falls Sie jemanden ausfindig machen können, der einen Werwolf als Haustier haben will.«
»Die Idee ist gar nicht so übel«, sagte Ozymandias bedächtig.
»Ach, Unsinn! Das sollte nur ein Witz sein. Zumindest kann ich meine Selbstachtung bewahren, selbst wenn ich Wohlfahrtsempfänger werde. Und ich möchte wetten, daß auch die Wohlfahrtsbehörden nackte Männer nicht sonderlich mögen.«
»Nein. Ich meinte nicht, daß Sie als Haustier gehen sollten. Aber betrachten Sie Ihre Lage mal von der Seite: Was sind Ihre Aktiva? Sie haben nur zwei ungewöhnliche Fähigkeiten: Sie können Deutsch, und das nützt Ihnen nichts mehr.«
»Stimmt.«
»Ihre zweite Begabung ist, daß Sie sich in einen Werwolf verwandeln können. Gut. Es muß doch eine Möglichkeit geben, daraus Kapital zu schlagen. Wir wollen mal nachdenken.«
»Unsinn.«
»Nicht ganz. Für jede Ware gibt es einen Markt. Man muß ihn nur finden. Und Sie, Kollege, werden der erste kommerzielle Werwolf der Geschichte sein.«
»Ich könnte … man sagt, daß Ripleys Kuriositätenkabinett gute Gagen zahlt. Soll ich mich sechsmal pro Tag zum Entzücken des Publikums verwandeln?«
Ozymandias schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, das wäre nichts. Die Leute wollen keine echte Zauberei. Das gibt ihnen ein unbehagliches Gefühl, sie fangen an, sich zu fragen, was es sonst noch Rätselhaftes auf der Welt gibt. Sie wollen
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