7 Werwolfstories
wiederaufzunehmen, was ja immerhin wichtig war, wenn er eine Frau ernähren wollte.
Während er durch die Straßen trabte, versuchte er so zahm und unwolfmäßig wie möglich auszusehen, und anscheinend gelang ihm das auch. Niemand beachtete ihn, außer einigen Kindern, die mit ihm spielen wollten, und ein paar Hunden, die ihn erst giftig anknurrten und dann davonschlichen. Seine Freundin, die Katze, mochte Werwölfen gegenüber tolerant sein, aber die Hunde waren es nicht.
Zuversichtlich lief er die Stufen zum Berkeley Inn empor. Der Portier war durch einen kleinen Zauber unschädlich gemacht und würde keinen Wolf sehen. Er brauchte nur Ozzy aufzuwecken, damit er Absarka sagte, und …
»He! Wo willst du hin! Scher dich ‘raus, aber dalli!«
Es war der Portier, ein kräftiger junger Bursche, der am Fuß der Treppe stand und ihn wegscheuchte.
»Hier dürfen keine Hunde ‘rein! Los, verdufte!«
Ganz offensichtlich stand dieser Mann nicht unter einem Zauber, und ebenso offensichtlich gab es keine Möglichkeit, an ihm vorbeizukommen, es sei denn, er würde ihn mit wölfischer Kraft in Stücke reißen. Eine Sekunde lang zögerte Wolf. Er mußte sich zurückverwandeln. Wenn er nur nicht so lange geschlafen hätte und hierher gekommen wäre, ehe dieser unverzauberte Portier seinen Dienst antrat – aber was sein mußte, mußte …
Dann fiel ihm die Lösung seines Problems ein. Wolf wandte sich um und lief weg, gerade als der Portier einen Aschenbecher nach ihm warf. Kugeln mögen ja relativ schmerzlos sein, aber selbst der Hinterteil eines Werwolfs war, wie er soeben erfuhr, nicht unempfindlich gegen Glasgeschosse.
Die Lösung war narrensicher. Der Nachteil war, daß er eine Stunde warten mußte, und er hatte Hunger. Er ertappte sich dabei, wie er interessiert ein fettes Baby in einem Kinderwagen beäugte. Eine andere Gestalt hat andere Gelüste im Gefolge. Er konnte verstehen, wie ein ursprünglich wohlgesinnter Werwolf zum Ungeheuer werden konnte. Aber er hatte einen stärkeren Willen und war viel klüger. Sein Magen konnte warten, bis er seinen Plan in die Tat umgesetzt hatte.
Der Pförtner hatte schon die Eingangstür zum Institut aufgeschlossen, aber noch war niemand im Gebäude. Wolf erreichte unbemerkt den zweiten Stock, wo sein Hörsaal lag. Es war schon etwas schwieriger, die Kreide zwischen den Zähnen zu halten, da der feine Staub ihn würgte. Aber er schaffte es, indem er seine Vorderpfoten auf den Schwammhalter stützte. Dann mußte er dreimal hochspringen, bis er den Zugring der Rolltafel erwischt hatte, aber als das auch geschafft war, brauchte er nur noch unter den Schreibtisch zu kriechen und zu hoffen, daß er inzwischen nicht verhungern würde.
Als sich die Studenten des Deutschkurses 31 B zögernd zur Acht-Uhr-Vorlesung einfanden, waren sie überrascht, eine Tafel vorzufinden, auf welcher der Einfluß des Goldstandards auf die Weltwirtschaft dargestellt war, aber sie nahmen an, daß der Institutsdiener es übersehen habe, und beließen es dabei.
Der Wolf unter dem Schreibtisch belauschte unbemerkt die Unterhaltungen, hörte, wie die hübsche Blondine in der ersten Reihe sich mit drei verschiedenen Männern für ein und denselben Abend verabredete, und entschied schließlich, daß sich für das Gelingen seines Plans jetzt genug Studenten eingefunden hatten. Er rutschte so weit hervor, daß er den Zugring fassen konnte, ruckte einmal daran und ließ los.
Die Tafel rollte mit Getöse nach oben. Die Studenten hörten im Schwatzen auf, sahen auf die Tafel und erblickten in großen wackligen Buchstaben das mysteriöse Wort
ABSARKA.
Es funktionierte. Wenn genügend Leute versammelt waren,
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