7 Werwolfstories
siehst du, ich …«
»Seh! Schau mal! Das gibt einen Spaß. Ein Überfall.«
Wolf blickte durch die Hecke. Ein gutgekleideter Mann mittleren Alters machte anscheinend noch einen Verdauungsspaziergang. Hinter ihm schlich eine dünne Gestalt her. Als sie den Mann eingeholt hatte, flüsterte sie drohend: »Hände hoch!«
Der Spaziergänger sank zusammen. Er war käsebleich, und der Räuber langte in seine Brusttasche und holte eine fette Brieftasche heraus.
Wozu, dachte Wolf, habe ich diesen kräftigen Körper, wenn ich bloß als Zuschauer hinter einer Hecke sitze? An der verblüfften Katze vorbei jagte er über die Hecke und landete mit den Vorderpfoten im Gesicht des Räubers. Der Bösewicht fiel rücklings nieder, Wolf lag auf ihm. Dann gab es einen lauten Knall. Eine Sekunde lang verspürte Wolf einen stechenden Schmerz in der Schulter, als ob man ihn mit einer langen Nadel gestochen hätte, dann klang der Schmerz ab.
Aber sein momentanes Zurückzucken hatte dem Räuber Gelegenheit gegeben, wieder auf die Füße zu kommen. »Hab’ dich nicht getroffen, was?« sagte er. »Wollen mal sehen, wie dir eine Kugel in den Bauch gefällt.«
Während Wolf sprang, knallten drei Schüsse hintereinander. Eine Sekunde lang hatte er das schrecklichste Bauchweh seines Lebens. Dann landete er. Der Kopf des Räubers schlug auf dem Asphalt auf, und er rührte sich nicht mehr.
Überall gingen Lichter an. Aus dem allgemeinen Geschrei hörte Wolf die schrille Stimme von Robbys Mutter heraus, und unter all den Gerüchen witterte er den Polizisten, dem er zuvor entkommen war. Er mußte weg, und zwar schnell.
Die Stadt brachte ihm nur Schwierigkeiten, entschied Wolf, während er davonlief. Da blieb er lieber allein, bis er Gloria hatte. Trotzdem mußte ihm Ozzy vorsichtshalber ein Halsband besorgen, und…
Plötzlich wurde ihm klar, was geschehen war. Vier Kugeln hatten ihn getroffen, davon drei in den Bauch, und er war völlig unverletzt! Das Leben als Werwolf hatte einige beachtliche Vorteile zu bieten. Was könnte ein Verbrecher nicht alles unternehmen, wenn er sich kugelfest wüßte! Oder – nein. Er war nur zum Spaß ein Werwolf geworden, und so sollte es bleiben.
Aber selbst für einen Werwolf ist es ermüdend, wenn auf ihn geschossen wird. Der magische und sofortige Verschluß der Wunden verbraucht viel Energie. Als Wolfe Wolf in den Frieden und in die Ruhe der Wälder auf den Hügeln eintauchte, war jeder Übermut verschwunden. Er streckte sich lang aus, vergrub seinen Kopf zwischen den Vorderpfoten und schlief ein.
»Die Essenz aller Magie«, sagte Heliophag von Smyrna, »ist Täuschung. Hiervon gibt es zwei Sorten. Durch Magie täuscht der Zauberer andere; aber die Magie täuscht den Zauberer selbst.«
Bis jetzt hatte sich Wolfe Wolfs lykanthroper Zauber als recht erfreulich erwiesen, doch jetzt kam die andere Seite zum Vorschein. Der erste Beweis dafür war, daß er einschlief.
Er wachte verwirrt wieder auf. Seine Träume waren höchst menschlich gewesen – er hatte von Gloria geträumt –, obwohl er eine andere Gestalt hatte, und er brauchte Minuten, bis er rekonstruiert hatte, wieso er in dieser Gestalt steckte. Einen Moment lang erschien ihm der Traum, in dem er mit Gloria Blaubeerwaffeln gegessen hatte, während sie auf der Berg- und Tal-Bahn fuhren, viel normaler als die Wirklichkeit.
Aber er fand sich rasch wieder zurecht und blickte zum Himmel empor. Die Sonne schien schon vor einer Stunde aufgegangen zu sein, es war also zwischen sechs und sieben Uhr. Heute war Donnerstag, da hatte er um acht Uhr eine Vorlesung. Es war also noch genug Zeit, um sich zurückzuverwandeln, zum Rasieren, Anziehen, Frühstücken und das normale Leben des Professors Wolf
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