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7 Werwolfstories

7 Werwolfstories

Titel: 7 Werwolfstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Schelwokat
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Er war schon lan­ge nicht mehr in der La­ge, sei­nen Geist zu be­herr­schen, sinn­vol­le und lo­gi­sche Ge­dan­ken­gän­ge zu füh­ren – die drei Jah­re Ge­fan­gen­schaft im Kel­ler, die men­schenun­wür­di­ge Be­hand­lung durch Tan­ja hat­ten ihn in ei­ne geis­ti­ge Um­nach­tung ge­trie­ben. Aber er hat­te sei­ne Sin­ne noch so­weit bei­sam­men, daß er wuß­te, was die ein­set­zen­den Schmerz­wel­len zu be­deu­ten hat­ten.
    Er wuß­te, daß die In­ter­val­le zwi­schen den auf­ein­an­der­fol­gen­den Schmerz­wel­len im­mer kür­zer wur­den. Es wa­ren die untrüg­li­chen An­zei­chen der be­vor­ste­hen­den Ver­wand­lung. Er kämpf­te da­ge­gen an, war aber macht­los. Er woll­te sich nicht ver­wan­deln, er woll­te Mensch blei­ben. Aber er kam ge­gen das an­de­re, das Bö­se in ihm, das im­mer in Voll­mond­näch­ten Ge­stalt an­nahm, nicht an. Un­halt­bar schritt die Me­ta­mor­pho­se vor­an; die Bes­tie in ihm wur­de ge­weckt, streck­te sich und nahm im­mer mehr von sei­nem Kör­per und sei­nem Geist Be­sitz. Sein Ich wur­de in die Tie­fen des Un­ter­be­wuß­ten ver­drängt, und gleich ei­nem per­ver­tier­ten Phö­nix stieg sein Un­ter­be­wußt­sein an die Ober­flä­che. Durch die Ver­wand­lung wur­de sein ab­ge­stumpf­ter Geist ge­schärft, sei­ne Ge­dan­ken ge­wan­nen im­mer mehr an Klar­heit, die Er­in­ne­rung kam zu­rück.
    Gleich­zei­tig mit sei­nen schlum­mern­den geis­ti­gen Fä­hig­kei­ten kam aber auch die Bes­tie in ihm zum Vor­schein und ver­än­der­te sei­nen Kör­per. Ro­bert war nie be­son­ders be­haart ge­we­sen, die Haut auf sei­nen Ar­men und Bei­nen war fast fe­mi­nin glatt, wenn man von den Nar­ben und of­fe­nen Wun­den ab­sah, die ihn ver­un­stal­te­ten. Jetzt je­doch bil­de­ten sich Haar­bü­schel an sei­nen Ar­men und Bei­nen, auf sei­nem Rücken und auf der Brust, sie wuch­sen so rasch, daß sein gan­zer Kör­per in­ner­halb we­ni­ger Mi­nu­ten von ei­nem dich­ten, zot­ti­gen Fell ein­gehüllt war.
    Aber die Ver­wand­lung war noch nicht ab­ge­schlos­sen. Er spür­te den Krampf in Fin­gern und Ze­hen und wuß­te, daß sich Kral­len bil­de­ten. Sei­ne Au­gen füll­ten sich mit Trä­nen, als sei­ne Ner­ven re­vol­tier­ten. Wie durch einen Schlei­er sah er, daß Tan­ja ges­ti­ku­lier­te und mit weit ge­öff­ne­tem Mund lach­te und schließ­lich die Peit­sche auf den Bo­den warf und den Kel­ler ver­ließ. Er war froh dar­über, daß sie ihn wäh­rend der Me­ta­mor­pho­se meist in Ru­he ließ.
    Er er­in­ner­te sich an die vie­len Voll­mond­näch­te, die er be­reits in Ket­ten zu­ge­bracht hat­te, und er er­in­ner­te sich an die Zeit da­vor, als er noch sei­ne Frei­heit ge­nos­sen hat­te und das wil­de Blut in sei­nen Adern auf vie­ler­lei Ar­ten ge­kühlt hat­te. Und doch war er da­mals ein Narr ge­we­sen.
    Er sah sei­ne Feh­ler ein, aber wahr­schein­lich wür­den sie nie mehr gutz­u­ma­chen sein. Er war Tan­jas Ge­fan­ge­ner.
    Er brüll­te auf vor Schmerz und Wut; tau­send Na­deln sta­chen in sei­nem Schä­del, das Po­chen schi­en die Kno­chen­de­cke spren­gen zu wol­len – das war das End­sta­di­um der Me­ta­mor­pho­se. Jetzt war der Schmerz am größ­ten, denn der wich­tigs­te Teil sei­ner Per­sön­lich­keit wur­de ver­wan­delt, sein Ego. Und die wich­tigs­ten äu­ße­ren Merk­ma­le ei­nes Wer­wolfs bil­de­ten sich: Die Schnau­ze be­frei­te sich aus der um­span­nen­den Men­schen­haut, die Fang­zäh­ne lös­ten das Men­schen­ge­biß ab. Schließ­lich wur­de die Pein so un­er­träg­lich, daß Ro­bert für Mi­nu­ten in einen ohn­macht­s­ähn­li­chen Er­schöp­fungs­zu­stand fiel, aus dem er als voll­wer­ti­ger Wer­wolf er­wa­chen wür­de.
    Er er­in­ner­te sich an einen Aus­spruch Tan­jas, die die Schmerz­wo­gen der Me­ta­mor­pho­se mit den We­hen bei der Ge­burt ei­nes Kin­des ver­glich. Das war tref­fend, denn auch hier wur­de et­was ge­bo­ren, das Bö­se nahm Ge­stalt an.
    Tan­ja war über­haupt sehr in­tel­li­gent und ziel­be­wußt, des­halb war es ihm noch nicht ge­lun­gen, sie zu be­we­gen, daß sie sei­ne Fes­seln lös­te. Si­cher wuß­te sie, daß er sie dann zer­rei­ßen wür­de wie

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