7 Werwolfstories
ungeheizt. Du wirst dir eine Erkältung holen. Oder weißt du schon, wie du die zwei Stunden totschlagen wirst? Ach, ich weiß schon, was du vorhast. Du wirst mit deinem Umberto ein Schäferstündchen verbringen!«
Tanja lachte über ihre letzte Bemerkung.
Angela preßte die Lippen zusammen, bückte sich nach dem Koffer und der Handtasche und bemerkte abschließend: »Ich habe Arno zu Bett gebracht, zu mehr bin ich nicht verpflichtet. Ich gehe jetzt!«
»Ja, geh nur«, rief ihr Tanja höhnisch lachend nach. »Geh zu deinem Umberto … geh nur.«
Sie verstummte, ihr Gesicht spannte sich an, und ihre Augen verloren jeden Ausdruck. Sie legte den Kopf schief und lauschte. Sie hörte Angela durch die Diele gehen und die Eingangstür öffnen. Für einige Sekunden brach das Heulen des Sturmes ins Haus. Dann fiel die Tür ins Schloß, und es wurde wieder still.
Tanja befaßte sich in Gedanken mit Angela, dem Dienstmädchen, das sie all die Monate hindurch absichtlich gequält hatte, um es zum Gehen zu veranlassen. Aber Angela war zu geduldig gewesen, deshalb mußte Tanja schließlich die Geschichten über gestohlenes Geld und verschwundene Lebensmittel erfinden. Sie tat es nicht nur aus Sadismus, es steckte viel mehr dahinter. Es war ein ungeschriebenes Gesetz des Hauses Totzky, daß keine der Bediensteten länger als ein halbes Jahr bleiben durfte. Die Hausordnung des Hauses Totzky wies noch weitere seltsame Punkte auf, und zwar:
In Vollmondnächten durfte sich das Dienstmädchen nie im Hause befinden!
Niemand außer Tanja durfte die zweite Kellertür öffnen!
Es gab einen Keller, der als Abstell- und Lagerraum benutzt wurde, der war selbstverständlich nicht von dem Verbot betroffen. Aber der zweite Keller, der sich hinter der massiven Panzertür unterhalb des Stiegenaufgangs verbarg, war tabu. Darin verbarg sich das Geheimnis des Hauses Totzky, von dem niemand außer Tanja wußte. Und selbstverständlich Robert…
Was er wohl gerade tat? fragte sich Tanja. Viele Möglichkeiten hatte er ja nicht; außer nachdenken, schlafen, seine Notdurft verrichten und essen konnte er nichts tun. Tanja runzelte die Stirn, um sich besser konzentrieren zu können. Es war augenblicklich irgendwie wichtig, alle jene Tätigkeiten aufzuzählen, mit denen sich Robert befassen konnte. Er konnte natürlich auch noch schreien, ja, das konnte er – aber niemand würde ihn hören. Sonst fiel Tanja nichts mehr ein.
»Ich will doch einmal nachsehen, was er gerade tut«, sagte sie zu sich selbst.
Sie erhob sich seufzend aus dem Ledersessel, verließ das Wohnzimmer und wandte sich der Treppe zu, die zum zweiten Keller führte. Aber bevor sie noch die erste Stiege betrat, dachte sie daran, daß Robert womöglich hungrig war und holte aus der Küche ein Stück verschimmeltes Brot. Sie hatte immer irgendwelche verdorbenen Lebensmittel gelagert, schließlich wollte sie ihren Mann nicht verhungern lassen. Er sollte leben, lange noch – und leiden.
»Hoffentlich leidet er sehr! Es wäre nur ausgleichende Gerechtigkeit«, murmelte sie.
Als sie dann die Kellertür erreichte, holte sie den Schlüssel aus der Tasche, den sie selbst nachts immer bei sich hatte, und sperrte auf. Sie drückte gegen die Tür, und da sie immer darauf achtete, daß die Angeln geölt waren, schwang sie lautlos auf.
Ein widerlicher Geruch drang aus dem finsteren Kellergewölbe, und Tanja rümpfte die Nase. Sie wartete einige Atemzüge, bis sie sich einigermaßen an den Gestank gewöhnt hatte, dann tastete sie nach dem Lichtschalter und knipste das Licht an.
»Hallo, Robert«, begrüßte sie den nackten, verschmutzten und bis auf die Knochen abgemagerten Mann, der mit Händen und Füßen an die
Weitere Kostenlose Bücher