7 Werwolfstories
auf den er sich verlassen konnte. Tanja fiel ihm ein. Er rang lange mit sich, bevor er sich dazu entschloß, sich ihr anzuvertrauen. Um so überraschter war er, als sie zustimmte, seine Frau zu werden und die schreckliche Bürde mit ihm zu teilen.
Er hatte ihr nichts verschwiegen und ihr sogar gesagt, daß sie sich nie der Hoffnung auf ein Kind von ihm hingeben dürfte. Aber Tanja hatte das hingenommen und nur wenige Tränen vergossen. Sie schwor, daß sie ihn immer noch liebe wie am ersten Tage.
»Oh, du verdammter Narr, Robert!« schrie der Werwolf und zerrte an den Ketten. Die Verwandlung war abgeschlossen, aus dem erbarmungswürdigen, erniedrigten Mann war ein Wolf, eine reißende Bestie geworden.
Tanja hatte sein Vertrauen bereits in der ersten Vollmondnacht mißbraucht. Sie hatte ihn angekettet und nie mehr wieder freigelassen. Robert Totzky erfuhr nie den Grund für ihr Verhalten.
Sie äußerte nur, daß er es eines Tages erfahren würde – er solle sich aber wünschen, daß dieser Tag nie kommen möge! Das war eine deutliche Warnung.
Als Tanja wieder in den Keller kam, bemerkte der angekettete Wolf sofort die Veränderung an ihr. Ihre Schritte waren traumwandlerisch, kraftlos hingen ihre Arme an der Seite herunter. Er hatte sie vorher noch nie weinen sehen, jetzt tat sie es. Das alarmierte den Wolf, irgendwie fühlte er, daß das der Augenblick der Wahrheit war.
Instinktiv spannte er seine Muskeln an. Er beobachtete Tanja, wie sie in den Raum trat und gedankenverloren vor der Peitsche stehenblieb, die achtlos auf dem Boden lag. Sie widmete ihr nur einen einzigen kurzen Blick, dann wandte sie sich der Wand zu, an der die Pistole hing. Zögernd griff sie danach.
Der Wolf keuchte. »Das ist klug von dir«, stieß er hervor, um die unerträgliche Stille zu durchbrechen. »Töte dich, dann brauchst du vor nichts mehr Angst zu haben.«
Sie drehte sich zu ihm um, ihr eingefallenes Gesicht war tränennaß; der Revolver lag schwer in ihrer Hand.
Wie zu sich selbst sagte sie: »Jetzt gibt es nichts mehr, was mich schrecken könnte. Das, vor dem ich mich immer gefürchtet habe, ist nun eingetreten.«
Langsam hob sie den Revolver.
»So ist es recht«, flüsterte der Wolf ihr eindringlich zu. »Hebe ihn hinauf und drücke ihn gegen die Stirn, dann brauchst du nur noch den Abzug zu ziehen. Es geht ganz schnell, nur Mut.«
Sie tat nicht, was er ihr einsuggerieren wollte. Statt dessen richtete sie den Lauf der Waffe auf ihn, den Werwolf!
»Aber, Tanja«, sagte er, während sie sich ihm langsam näherte, »du weißt doch, daß man einen Werwolf nicht erschießen kann. Du kennst doch die Legenden aus unserer Heimat. Einen Werwolf kann man nicht töten. Nicht mit einer gewöhnlichen Kugel aus einem Revolver.«
»Man kann ihn töten«, preßte sie zwischen den schmalen Lippen hervor, während ihr unaufhörlich die Tränen über die Wangen liefen. »Man kann einen Werwolf auf vielerlei Arten töten. Und bestimmt mit silbernen Kugeln!«
Der Wolf zuckte erschreckt zusammen; er leckte sich mit der Zunge über die Schnauze. »Du willst doch nicht behaupten, daß in dem Revolver silberne Kugeln stecken.«
»Doch«, sagte Tanja und blieb außer seiner Reichweite stehen. »Die Pistole ist mit Kugeln aus Silber geladen. Und zwar mit sechs Stück.« Sie lächelte böse. »Aber keine Angst, ich werde dich nicht sofort töten. Vorher mußt du noch leiden – so leiden wie ich.«
»Du leidest doch nicht, du weidest dich an meiner Pein!«
Sie achtete nicht darauf. Sie sprach weiter: »Fünf Kugeln sind für dich; ich werde so zielen, daß keine davon tödlich trifft. Ich will dich nur verwunden, aber die Kraft des Silbers wird deinen Körper zersetzen. Die sechste Kugel ist für Arno, er ist unschuldig, er hat einen schnellen Tod
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