7 Werwolfstories
schon so viele Menschen vorher. Wenn er Wolfsgestalt annahm, dann bereute er nichts, aber als Mensch hatte er immer Gewissensbisse.
Kraftlos hing er in den Fesseln und verfluchte diesen Robert Totzky, der er manchmal sein mußte, und dessen Moral. Wie ein Film rollte die Erinnerung an die Vergangenheit vor seinem geistigen Auge ab …
Er war achtzehn, als er Tanja kennenlernte. Das war in einem anderen Land gewesen, und damals hatte er noch nicht gewußt, daß er ein Lykanthrop war. Die erste Verwandlung vollzog sich, nachdem die Hochzeit bereits festgesetzt war. In dieser Nacht hatte er einen Dienstboten seines Vaters ermordet. Er hatte diese erste Vollmondnacht in der neuen Wolfsgestalt voll ausgekostet. Aber nachdem er sich bei Morgengrauen in sein Zimmer zurückgezogen hatte, um den tödlichen Sonnenstrahlen zu entgehen, und nachdem er sich in einen Menschen verwandelt hatte, gab es ein böses Erwachen für ihn.
Er wußte damals sofort, daß er nicht nur geträumt hatte, denn in seiner Heimat gab es noch das, was man anderswo fälschlich als Aberglaube bezeichnete: Man glaubte an Werwölfe. Deshalb war es ihm sofort nach dem Erwachen klar, daß seine Erinnerungen an die Geschehnisse der Nacht kein Traum waren.
Robert zog die Konsequenzen. Er konnte es Tanja damals nicht antun, sie zu heiraten und mit ihr eine Familie zu gründen, denn Lykanthropie war vererblich. Er konnte kein Kind in die Welt setzen, das sich zum Werwolf entwickeln würde. Deshalb verließ Robert Tanja. Er verschwand spurlos in ein anderes Land.
Er wußte, daß er ein Ausgestoßener, ein Ungeheuer war – und daß sein Tod ein Segen für die Menschheit gewesen wäre. Aber er brachte es nicht fertig, Hand an sich zu legen. Deshalb traf er in den Vollmondnächten Vorsorge, auf daß er keinen Schaden anrichten konnte.
Er lernte die Kunst der Selbstfesselung. Aber so stark er die Fesseln auch knotete, mit der Kraft des Wolfes sprengte er sie. Er kannte die abschreckende Kraft des Silbers auf Werwölfe, deshalb sammelte er silberne Gegenstände. In Vollmondnächten baute er sie dann um sich auf, so daß sie ein unüberwindbares Hindernis für den Wolf bildeten. Das ging so lange gut, bis er in einer Vollmondnacht bestohlen wurde. Und in dieser Nacht hatte es drei Tote in der kleinen Pension gegeben, in der er abgestiegen war …
Robert Totzky hatte flüchten müssen, und er hatte später noch oft flüchten müssen. Er befand sich immer auf der Flucht, bis ihn die Nachricht vom plötzlichen Tode seines Vaters erreichte, der angeblich während einer schwarzen Messe mit einem silbernen Dolch erstochen worden war.
Er erfuhr, daß auch sein Vater ein Werwolf gewesen war.
Robert war über den Tod seines Vaters beinahe erleichtert, denn er hinterließ ihm ein beträchtliches Vermögen. Und Robert dachte damals daran, daß er mit Hilfe des Geldes die Menschen besser vor sich schützen konnte. Als er in sein Heimatdorf zurückkehrte, begegnete er zum erstenmal nach sechseinhalb Jahren wieder Tanja. Sie hatte inzwischen ein uneheliches Kind, einen Sohn von ungefähr fünf Jahren, und war der Schandfleck des Dorfes. Aber sie trug ihre Last tapfer. Robert verliebte sich erneut in sie. Trotzdem scheute er sich, um ihre Hand anzuhalten.
Er ging nach Italien und kaufte dieses Haus hier, ließ diesen schalldichten Keller einrichten und vertraute sich einem Mann an, der ihn gegen hohe Bezahlung in Vollmondnächten beaufsichtigen sollte. Robert erkannte rechtzeitig, daß er es mit einem Erpresser zu tun hatte, und in der nächsten Vollmondnacht rächte er sich grausam.
Robert erkannte daraufhin, daß Geld allein in seiner Lage nicht alles war, er brauchte auch einen Menschen,
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