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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zur Türe hinaus.

ZWEITES KAPITEL
    Der Kery-Bauer wird erpreßt
    Am nächsten Mittwochstag saß der Kery-Bauer wieder mit seiner Familie beim Mittagessen. Es ging heute noch stiller und trüber als gewöhnlich zu.
    Heute war der Entscheidungstag. Heute wollten die Osecs sich die Antwort holen, und doch hatte er weder mit der Frau noch mit der Tochter wieder über das schwierige Thema gesprochen.
    Und warum hatte er das nicht getan?
    Er selbst hätte auf diese Frage wohl keine klare Antwort zu geben vermocht. Der einzige Grund lag in seiner verborgenen, ihm selbst unbewußten Liebe zu Gisela.
    Ihr letztes kräftiges und selbständiges Wesen hatte ihm imponiert. Ihr Widerstand, obgleich gegen ihn selbst gerichtet, war ihm sympathisch. Er fühlte, daß er an ihrer Stelle ganz ebenso gehandelt hätte, und darum brachte er es nicht dazu, ihr zu zürnen.
    Aber seine Lage wurde dadurch nicht gebessert. Er befand sich in den Händen der Osecs. Seine einzige Hoffnung waren die fünfzehntausend Gulden, welche er für die vorgestern abgelieferten Waren im Laufe dieser Woche bekommen mußte. Dieses Geld mußte ihn schwimmend erhalten. Vielleicht scheuten die Osecs einen Prozeß.
    So saß er an dem Tisch und aß, obgleich ihm kein Bissen schmeckte. Niemand wagte, eine laute Äußerung zu tun. Man sah es ihm an, daß er sich in der allerschlechtesten Laune befand.
    Da kam der Postbote und brachte einen eingeschriebenen Brief. Das Gesicht des Bauern erheiterte sich. Er erkannte die Handschrift des Kaufmanns, welchem er die Schmuggelwaren geliefert hatte.
    Er quittierte, stand vom Tisch auf und ging hinauf in seine Stube. Dort öffnete er den Brief. Derselbe lautete, anstatt in gewohntem, freundlichem Ton, folgendermaßen:
    „Herrn Georg Kery.
    Wenn Sie meinen, mich im Laufe einer längeren Zeit durch scheinbare Ehrlichkeit so kirre gemacht zu haben, daß Sie nun einen desto lohnenderen Betrug gegen mich ausführen können, so haben Sie sich in vollständigem Irrtum befunden. Mit einem so gemeinen Schwindel übertölpelt man mich nicht. Zum Glück haben Sie weder eine Empfangsbestätigung noch ein darauf lautendes Wertpapier in den Händen. Sie bekommen anstatt der fünfzehntausend Gulden keinen Kreuzer. Die alten Lumpen und das alte Papier, welches die Pakete enthielten, können Sie sich nach Berichtigung der Lagerkosten bei mir abholen. Länger als eine Woche aber behalte ich diesen Schund nicht bei mir.
    Für weitere Geschäftsverbindung ernstlichst dankend, kann ich Ihnen nur den Ausdruck meiner tiefsten Verachtung zuteil werden lassen.“
    Hierauf folgte die Unterschrift. Als der Bauer diese Zeilen gelesen hatte, sank er in einen Stuhl. Seine Brust ging hoch. Der Atem stockte ihm. Dann sprang er plötzlich auf, riß die Tür auf und rief hinab:
    „Hans! Hans! Wo steckst du!“
    In dieser Weise hatte er noch niemals gebrüllt. Unten wurden alle Türen aufgerissen. Der Gerufene kam die Treppe herauf, aber der Bauer herrschte ihn an:
    „Spar die Stufen! Es gibt keine Zeit! Sattle sofort den Braunen! In fünf Minuten muß er vor der Tür stehen!“
    Das war ein Befehl, welcher ungeheures Aufsehen erregte. Seit einem vollen Jahrzehnt war Kery in keinen Sattel gekommen. Der Knecht nahm gleich zwei, drei Personen mit, die ihm helfen sollten.
    „Was muß geschehen sein?“ fragte die Bäuerin besorgt zu ihrer Tochter.
    „Wer weiß es, der Brief ist schuld.“
    „Jedenfalls. Mir wird ganz angst und bange. Etwas Gutes kann es nicht sein.“
    „Da haben jedenfalls die Osecs wieder die Hand im Spiel. Mir ist alles gleich.“
    Die fünf Minuten waren kaum vergangen, so kam der Bauer herab. Sein Gesicht war hochrot gefärbt. Er befand sich sichtlich in einer ungeheuren Aufregung. Seine Frau wagte es nicht, eine Frage auszusprechen.
    „Na, wo ist das Pferd!“ schrie er.
    „Es sind erst vier Minuten vergangen“, antwortete Gisela ruhig. „Überhaupt kannst du nicht verlangen, daß ein Pferd in fünf Minuten bereitstehen soll.“
    Er blickte sie ganz betroffen an. So etwas hatte sie niemals gewagt.
    „Jungfer Naseweis, sei still!“ fuhr er sie an.
    Sie aber fuhr unbeirrt fort:
    „Im Zirkus Renz oder Herzog kann man so etwas verlangen, aber nicht bei einem Bauern, wo das Zeug erst stundenlang zusammengesucht und geputzt werden muß.“
    „Habe ich befohlen, daß man es putzen soll?“
    „Nein; aber das ist doch selbstverständlich.“
    „Du scheinst dir ganz fremdartige Mucken anzugewöhnen. Die muß ich dir

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