70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament
ist, daß der Arbeitsmann Peter Held von einem Unserer Hausbeamten derart verletzt worden ist, daß er fast gänzlich arbeitsunfähig wurde, so sprechen Wir in Anbetracht angegebenen Umstandes seiner Witwe Rosalie, geborene Rottmann, hiermit eine Pension von jährlich 600 Mark, sage sechshundert Mark, welche jährlich pränumerando zu zahlen ist, zu.
Zugleich verfügen Wir, daß diese Pension als von dem Todestag des erwähnten Peter Held an laufend zu berechnen und seiner Witwe nebst fünf Prozent Verzugszinsen nachzuzahlen ist.
Die hierzu nötigen Gelder sind Meiner Privatschatulle zu entnehmen.
Genehmigt und gezeichnet
Ludwig, König von Bayern.“
Hanna hatte längst das letzte Wort gelesen und stand noch immer mit offenem Mund da, den Brief in beiden Händen.
Ihre Mutter hatte sich langsam, langsam erhoben und starrte ihre Tochter wie abwesend an.
„Hanna, Hanna!“ rief sie dann. „Das steht drinnen?“
„Ja, Mutter.“
„Das steht drinnen? Wirklich?“
„Ja“, antwortete Hanna, und zwar in einem Ton, als ob sie es selbst nicht glaube.
„Und wie lautet die Unterschriften?“
„Ludwig, König von Bayern.“
„Und Peter Held, der Namen deines Vatern steht auch dabei?“
„Hier ist er.“
Da schlug die Frau die Hände zusammen und rief:
„Herr mein Gott! Einen Brief von dem König! Einen Brief von meinem lieben, guten König! Ich, die arme, alte Witwe, erhalt ein Schreiben von ihm! Ich – ich – ich!“
Und nun sprang sie auf die Tochter zu.
„Zeig her, zeig her! Wo steht der Namen? Wo steht der Ludwig?“
„Hier!“
Hanna deutete mit dem Finger auf die betreffende Stelle.
„Zeig her den Brief!“
Sie nahm ihn der Tochter aus der Hand, hielt ihn breit vor sich hin und betrachtete die Unterschrift mit wonnefunkelnden Augen.
„Das hat er schrieben, unser König? Nicht wahr, Hanna? Er?“
„Ja. Das andre hat ein andrer schrieben, aber den Namen, den hat er selbst daruntersetzt.“
„Er selberst, er selberst! Mein König hat dieses Papieren in seiner Hand habt und seinen Namen herschrieben! Welch ein Glück und eine Freuden. O mein Gott, mein Gott!“
Sie drückte den Bogen an ihre Brust. Sie legte die Lippen auf die Unterschrift und fuhr doch sofort erschrocken zusammen, als ob sie eine Sünde, eine Entheiligung begangen hätte. Sie blickte die Stelle besorgt an, ob sie vielleicht unter dem Kuß gelitten habe, und sagte dann:
„Hanna, hast denn einen Begriff davon, was das heißt, daß der König, die Majestäten, einen Briefen an mich sendet?“
„Mutter, ich weiß, welch ein Heil und welche Gnade uns dadurch widerfährt!“
Ihre Augen standen voller Wasser. Es waren Freudentränen.
„Ja, hast recht! Ein Heil und eine Gnade ist's! Diesen Briefen werd ich mir einrahmen lassen in einen schönen, goldenen Rahmen, und sollt mich's so viel Geld kosten, daß ich mein ganzes Sparkassenbuchen – o Jegerl, was hab ich da schwatzt! Ich bin halt ganz närrisch worden vor Freud und vor Entzücken. Da weiß man gar nimmer, was man sagt!“
„Aber“, fragte der König, welcher alle Kraft aufbieten mußte, seine Rührung zu beherrschen, „wissen Sie denn auch, was drin steht? Haben Sie da aufgepaßt?“
„Was drinnen steht? O ja, da hab ich freilich gar sehr aufpaßt.“
„Nun, was steht drin?“
„Mein Mann steht drin, mein Seliger.“
„Weiter!“
„Ich steh auch darinnen.“
„Immer weiter!“
„Und der König steht drin. Der König, mein Mann und ich. Sollt man so was denken? Sollt man so was für möglich halten? Man sollt es überhaupten gar nicht glauben, wann man es nicht sehen tut.“
„Hier steht es aber“, sagte Hanna.
„Freilich steht's da, mit Tinten auf Papieren schrieben. Schwarz auf Weiß. Mit einem Siegellacken drunter und dem König seiner eigenen Handschriften! Da muß man's glauben, selbst wann man es nicht glauben möcht!“
„Und weiter steht nichts drin?“ fragte der König.
„Weiter? Was dann weiter? Daß mein Seliger schossen worden ist, das ist auch mit hineinschrieben.“
„Und dann?“
„Und dann? Ja, was war es denn noch? Hanna, schau gleich noch mal hinein!“
Die gute Frau war so beseligt von dem Gedanken, daß der König an sie geschrieben habe, daß sie die Hauptsache gar nicht beachtet hatte.
„Das hast wohl gar nicht mit anhört, von dera Pension?“ fragte ihre Tochter.
„Von dera Pension? Da steht was drin?“
„Ja.“
„Der Vatern hat um eine bitten sollen, hat's aber nicht tan.“
„Darum
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