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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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abzustatten, zumal –“
    Sie hielt inne.
    „Sprechen Sie weiter!“ forderte er sie auf.
    Sie fügte in gesenktem Ton hinzu:
    „Zumal er schon mal bei uns gewest ist.“
    „Ah! Davon weiß ich gar nichts.“
    „Es ist bereits lange her. Er hat nix wegtragen könnt, denn mein Mann hat ihn derwischt!“
    „Das ist mir interessant! Da ist es wohl gar zu einem Kampf gekommen?“
    „Ja. Er hat meinen Mann in die Augen schossen, daß dieser seit dera Zeit blind ist.“
    „Wie schrecklich! Das wird nun natürlich auch mit zur Sprache kommen. Da hat er also sich damals ohne Raub zurückziehen müssen?“
    „Er hat gar nix mitnehmen könnt, weil durch den Schuß die Leut herbeirufen worden sind. Er hat wüßt, daß wir damals ein hübsches Geld liegen hatten und sich dasselbige holen wollen.“
    „So wäre es freilich zu wünschen gewesen, dieser Diebstahl wäre ihm gelungen, anstatt daß er, um sich zu verteidigen, Ihren Mann blind gemacht hat. Das Geld läßt sich weit eher verschmerzen, als das Augenlicht.“
    Der Bauer hustete leicht und bemerkte mit zitternder Stimme:
    „Die Sach hat damals doch was anders legen.“
    „Wie denn?“
    „Er mag wohl nicht wegen dem Geld kommen sein, sondern aus einem andern Grund.“
    „Dürfte ich diesen erfahren?“
    „Es ist eine Familiengeschicht, und ich red' nicht wieder davon. Was ich zu tragen hab, das will ich tragen, der Herrgott wird der Richter sein.“
    Dieser Ausgang ihrer Bemerkung war der Bäuerin keineswegs lieb. Sie sah, daß der Gendarm sie forschend anblickte. Darum sagte sie in energischem Ton:
    „Kommst wieder mal auf die alte Geschichte zurück! Um Familiensachen hat es sich damals nicht gehandelt.“
    „Um was denn sonst? Um das Geld auch nicht.“
    „O ja! Wenn sich's um die Familie gehandelt hätt, so wär doch nur allein ich gemeint, denn sie besteht ja nur aus mir und dir!“
    „Freilich wohl!“
    Bei diesen in ruhigem, ergebungsvollem Ton gesprochenen Worten lehnte der Bauer den Kopf nach hinten an den Baum und machte mit der Hand eine Bewegung, welche bedeuten sollte:
    „Ich weiß doch, was ich weiß; aber ich halte es für das beste, kein Wort darüber zu verlieren.“
    Das ergrimmte seine Frau. Sie fühlte sich als still Angeklagte und sagte in beteuerndem Ton:
    „Gott ist mein Zeuge, daß deine Erblindung mir ebenso viel Leid bracht hat wie dir. Wann es eine ewige Gerechtigkeiten gibt, so muß der Samiel grad so wie du das Licht seiner Augen verlieren!“
    „Kathrin!“ rief der Bauer erschrocken.
    „Ja, das ist meine Meinung!“
    „Weißt auch, wast sagst?“
    „Ganz genau!“
    Der Bauer faltete die Hände und wiederholte langsam und mit Nachdruck ihre Worte:
    „Wann es eine ewige Gerechtigkeit gibt, so muß der Samiel grad so wie du das Licht seiner Augen verlieren!“
    Die Art und Weise, wie er diese inhaltsschweren Worte, diese freche Herausforderung Gottes, wiederholte, machte einen tiefen Eindruck auf die Anwesenden. Auch die Bäuerin überlief es eiskalt, aber sie ließ es sich nicht merken und begehrte nur desto strenger auf:
    „Und das wär nicht mal genug für ihn!“
    „Was denn noch?“
    „Er müßt auch meine und deine Seelenqual empfinden, welche endlos gewest ist in dieser langen Zeit.“
    Der Bauer streckte wie warnend und beschwörend den Arm gegen sie aus.
    „Weib! Bedenk in deiner Seel, wem du das alles anwünschst!“
    „Dem Samiel!“
    „Und wer ist er?“
    „Weiß ich es? Mag er sein, wer er will. Ihm ist die Höll schon hier auf Erden zu gönnen, und mein einziges Gebet ist gewest, daß ihn die Straf ereilen mag!“
    „Mein Gott, mein Gott!“ stöhnte der Bauer.
    „Tät's dir etwa leid um ihn?“ höhnte sie.
    „Lästre nicht!“
    „Ich kann dich nicht verstehen und begreifen! Das klingt doch grad, als obst in deinen Schutz nehmen möchtest. Kennst ihn vielleicht?“
    „Nein.“
    „Es hat fast so klungen!“
    Der Gendarm war diesen Auslassungen zwischen Mann und Frau mit größter Aufmerksamkeit gefolgt. Jetzt fragte er:
    „Ich muß allerdings auch bemerken, daß Ihre Äußerungen, Kronenbauer, sehr leicht vermuten lassen, daß Sie gewußt haben, wer der Samiel ist. Wollen Sie sich nicht darüber aussprechen?“
    „Nein.“
    „Ich bitte Sie in meiner amtlichen Eigenschaft darum. Ich bin verpflichtet zu dieser Bitte.“
    „Das geht mich nix an.“
    „Wissen Sie, daß ich Sie zwingen lassen kann?“
    „Mich, einen alten, blinden Mann!“
    „Darauf darf ich in solchen Angelegenheiten keine

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