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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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begehen, so daß er nun gezwungen ist, sich ein anderes Logis zu suchen. Wer weiß, ob es in demselben ebenso klappt wie hier!“
    Er warf den Stummel seiner Zigarre ärgerlich fort, blickte sich vorsichtig um, ob er beobachtet werde, und fuhr fort:
    „Heut ist der letzte Tag, welchen er bleiben kann. Eigentlich sollte ich diesen zum Einbruch benützen; aber es paßt nicht; ich muß also warten. Einstweilen habe ich den Ring. Er ist echt. Ich werde ihn gut verkaufen. Man sieht mir bereits auf die Finger. Man glaubt nicht, daß ich adelig bin und große Besitzungen habe. Ich werde also bald verschwinden, vorher aber noch einen tüchtigen Treffer machen. Valeska, die Tänzerin, muß mir dabei helfen.“
    Der Gedanke an sie schien seinen Mißmut zu verscheuchen, denn er lachte lustig auf.
    „Das ist eigentlich brillant! Sie ist meine Konkubine, und er ahnt es nicht. Er will sie sogar heiraten! Meinetwegen! Er mag es tun. Ich wünsche beiden Glück dazu, denn ich werde meine Rechnung dabei machen.“
    Er zog den Ring aus der Tasche, steckte ihn an und ließ im Weitergehen den Stein in der Sonne funkeln. –
    Als der Graf vorhin die beiden Herrn aus seine Equipage entlassen hatte, war er durch einige der Nebenstraßen einen Bogen gefahren, um über die Aspernbrücke zurückzukehren. Seine Wohnung lag am Kärntner Ring. Dabei kam er auch durch die Asperngasse und an dem Palais des Kommerzienrats vorüber. Er blickte nach den Fenstern empor, um zu grüßen, falls er dort jemand sehen sollte. Er sah die Dame des Hauses, welche auf dem Balkon stand, und zog den Hut. Sie erkannte ihn und winkte. Er ließ halten und stieg aus, um sich zu ihr zu begeben. Sie kam ihm bis zum Vorsaal entgegen.
    „Wie gut, daß Sie vorüberfahren, mein Verehrtester“, sagte sie. „Ich freute mich, als ich Sie sah, denn ich möchte Ihre Hilfe in Anspruch nehmen.“
    Er küßte ihr galant die Hand und versicherte:
    „Es gewährt mir ein großes Vergnügen, Ihnen meine Dienste widmen zu können.“
    „Kommen Sie herein. Mein Mann sitzt beim zweiten Frühstück. Wir sprechen über einen Gegenstand, in Beziehung dessen ich sie um Ihren Rat ersuchen möchte.“
    Als sie in das Balkonzimmer kamen, saß der Kommerzienrat an einem Seitentisch. Er hatte eine Serviette unter die Kehle gebunden, eine zweite auf dem Schoß liegen; eine dritte lag ihm zur Hand auf dem Tisch. Er schien ein Freund der Sauberkeit zu sein.
    Der Tisch war mit all denjenigen Feinheiten bedeckt, welche ein Gourmand auf seiner Tafel zu lieben pflegt. Eben schob der Kommerzienrat ein großes Stück geräucherten Lachs in den mit großen, gelben Zähnen bewaffneten Mund, als seine Frau den Grafen brachte. Ohne sich zu erheben, sagte er kauend:
    „Ah! Sie, bester Graf! Willkommen! Setzen Sie sich her, und nehmen Sie teil!“
    „Danke! Habe bereits gefrühstückt.“
    „Tut nichts. Wein getrunken?“
    „Ja. Burgunder und Champagner.“
    „Das macht Kopfweh. Setzen Sie sich nur, und essen Sie wenigsten einen Rollmops. Der stellt das Gleichgewicht wieder her.“
    Er nahm die Serviette von der Kehle, wischte seine vom Lachs gefetteten Finger daran und hielt sie dann dem Grafen hin.
    „Danke, wirklich!“ lächelte dieser. „Die Gnädige hatte die Güte, mich zu rufen. Es handelt sich, wie ich höre, um eine Angelegenheit, in welcher ich mir Verdienste erwerben kann.“
    Der Bankier schob ein Stück Chesterkäse in den Mund und nickte:
    „Ja, schön! Vortrefflich, daß sie kommen. Setzen Sie sich! Sie haben doch unsere Einladung erhalten?“
    „Ja, bereits gestern.“
    „Und werden kommen?“
    „Natürlich!“
    „Schön! Es soll nicht etwa ein brillanter Gesellschaftsabend sein, nein gar nicht, sondern nur ein Vergnügen unter uns, das heißt unter den Nobelsten unserer Bekanntschaft. Da sind Sie natürlich der erste, an den die Einladung ergangen ist –“
    Der Graf, welcher sich gesetzt hatte, verbeugte sich unter einem verbindlichen Lächeln. Der Bankier fuhr fort:
    „Sie wissen, ich bin Kunst-, besonders Musikfreund, sogar einer der bedeutendsten Kenner dieses Faches. Ich spiele zwar nicht Klavier, weil meine Finger zu dick dazu sind. Ich habe das Unglück, daß jeder derselben gleich drei Tasten zugleich niederdrückt. Ich würde also nicht einmal einen guten Triller fertigbringen; aber wenn ich auch nicht selbst spiele oder blase, so höre ich es doch sehr gern, und so darf auch heut die Musik nicht fehlen. Ich habe auch bereits eine kleine Kapelle engagiert; da

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