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71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil

Titel: 71 - Der Weg zum Glück 06 - Das Gottesurteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Erscheinende. Eine neue Erscheinung am Himmel der Kunst konnte ihn in Ekstase versetzen.
    Aber er war nicht einer jener Theaterhabitues, welche die Kunst lieben nur der Künstlerinnen wegen. Er besaß einen wahrhaft edlen Charakter und eine Geistes- und Herzensbildung, deren Höhe der Höhe seines Standes und seiner gesellschaftlichen Stellung gleichkam. Als er den berühmten Namen las, röteten sich seine Wangen.
    „Was?“ fragte er. „Die Ubertinka ist hier, ist in Wien? Gestern angekommen? Das ist freilich geradezu ein Ereignis.“
    „Wirklich?“ fragte der Bankier.
    „Mein Gott, da fragen Sie auch noch! Diese Sängerin ist ja eine phänomenale Erscheinung!“
    „Also schön?“
    „Bitte, das meine ich nicht. Ich spreche von ihren künstlerischen Leistungen, von denen Sie doch wohl gehört haben?“
    „Ja; aber ich gestehe offen, ich entsinne mich, von ihr gelesen zu haben, habe aber das Nähere längst wieder vergessen. Sie wissen ja, unsereiner, der eine Autorität ist, wird so allgemein in Anspruch genommen, daß man sich das Besondere, das Einzelne gar nicht merken kann. Darum eben ist es mir lieb, daß meine Frau Sie zitiert hat. Ich pflege täglich die Fremdenliste durchzugehen, der Geschäftsleute wegen, welche ankommen. Da fand ich vorhin den Namen Ubertinka. Ich sann und sann, bis mir einfiel, daß vor einiger Zeit in sehr vielen Journalen von ihr geschrieben wurde. Sie ist also wirklich berühmt?“
    „Hm! Der Ausdruck berühmt ist hier wohl nicht anzuwenden.“
    „So! Also taugt sie doch nicht viel?“
    „Bitte, bitte! So ist's nicht gemeint –“
    „Nach meiner Meinung kann eine Sängerin, welche nicht berühmt ist, nicht viel taugen.“
    „O doch! Ist zum Beispiel die Venus berühmt?“
    „Die Venus? Ja. Sie ist die Göttin der Liebe. Sie war die Gemahlin des buckeligen Vulkan und ist diesem untreu geworden, weil ihr der Kriegsgott Mars viel besser gefiel, von dem sie drei Kinder bekommen hat. So habe ich gelesen.“
    Die Kommerzienrätin machte eine Handbewegung der Abwehr.
    „Aber, Hesekiel!“
    „Was?“ fragte er verwundert. „Ah, ich soll nicht von solchen Ehebruchsgeschichten reden? Warum denn nicht, liebes Kind? Das ist täglich vorgekommen und kommt noch heut täglich vor, früher unter Göttern und jetzt unter Menschen. Diese letzteren scheinen es von den ersteren gelernt zu haben. Du brauchst dich gar nicht darüber zu entsetzen, denn ich bin kein Mars und bleibe dir treu.“
    Der Graf ließ ein kurzes, lustiges Lachen hören und bemerkte:
    „Lieber Baron, als ich von der Venus sprach, meinte ich nicht die Göttin der Liebe, welche allerdings ein leichtes Leben geführt zu haben scheint, sondern den Planet, welcher diesen Namen führt.“
    „Ach so! Kenne ich, kenne ich auch! Venus, Erde, Mars, Jupiter, Uranus, Saturn, kenne sie alle, alle! Treibe des Nachts zuweilen Astronomie. Was ist also mit diesem Planeten Venus?“
    „Ich frag Sie, ob er berühmt sei.“
    „Berühmt? Nein. Nicht, daß ich wüßte! Was ist's denn weiter, ein Planet zu sein? Gar nichts, gar nichts! Man läuft einfach rund um die Sonne herum und leuchtet ein bißchen während der Nacht.“
    „Sehr richtig! Aber setzen wir den Fall, es träte plötzlich ein Komet auf, ein Komet, den kein Astronom vorher berechnet hat. Er kommt ungeahnt, ist da und überflutet den ganzen Himmel mit Glorienschein. Wie steht es da mit der Berühmtheit?“
    „Die ist da, sicherlich da! Ein Komet macht viel eher Karriere als ein Planet. Von ihm erzählt man sich noch nach Jahrhunderten.“
    „Da haben Sie nun den Vergleich, welchen ich bringen wollte. Die glänzenden Sterne unserer Opernwelt sind Planeten, welche ihren ruhigen, vorgeschriebenen Lauf gehen und weder rechts noch links abweichen. Tritt aber an diesem Himmel ein Komet auf, so hat ihn vorher kein Mensch gekannt; er ist also nicht berühmt, überstrahlt aber dennoch die Planeten alle.“
    „Sapperment, lieber Graf, meinen Sie etwa, daß diese Ubertinka ein solcher Komet sei?“
    „Ja, das ist sie. Sie leistet Unglaubliches, ohne berühmt zu sein, wird es aber in kurzem werden.“
    „Wissen Sie Näheres von ihr?“
    „Nur das, was man hier und da zu lesen bekam.“
    „Hier in Wien hat sie noch nicht gesungen?“
    „Nein.“
    Da warf der Bankier auch noch die andere Serviette fort, sprang auf, rieb sich vergnügt die Hände, lief im Zimmer auf und ab und rief:
    „Herrlich! Prächtig! Köstlich! Ah! Oh! Auf so einen Gedanken kann nur eben ich kommen,

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