711 N. Chr. - Muslime in Europa
wahrscheinlich in die Zeit vor der großen Völkerwanderung zurückreicht. Bis zum 4. Jahrhundert gab es in der Hispania nur eine dünne jüdische Besiedlung. Um 300 waren es vor allem Tarragona und der im Westen angrenzende Küstenstreifen, in denen sich Juden in größerer Zahl niedergelassen hatten, daneben Córdoba und Mérida (Emerita Augusta). Erst in der Folgezeit entstand im gesamten Süden der Iberischen Halbinsel eine größere Anzahl jüdischer Niederlassungen, darunter in Toledo.
Als dem muslimischen Statthalter von Afrika (arab.
Ifriqiya
), Musa Ibn Nusair, die Nachricht von den Erfolgen seines Feldherrn Tariq ibn Ziyad überbracht wurde, zögerte er nicht lange. Immerhin lautete die Botschaft, dass die Westgoten sich nahezu vollständig zurückgezogen hätten und dass wenig Widerstand zu erwarten war. Darüber hinaus – und das lockte vielleicht mehr als jeglicher Schlachtenruhm – hatten die Invasoren reiche Beute gemacht, besonders in der Hauptstadt Toledo, wo ihnen der westgotische Königsschatz mitsamt einem besonders wertvollen Artefakt in die Hände gefallen war: dem legendären Tisch des biblischen Königs Salomon. Er hat eine eigene Geschichte, auf die wir zurückkommen werden.
Im Juni 712 setzte Musa in Begleitung von schätzungsweise 18 000 Kriegern über die Meerenge von Gibraltar und führte diese mit den Truppen des Ibn Ziyad zusammen. Gemeinsam machten sich die Heerführer daran, die Iberische Halbinsel zu unterwerfen. Dabei setzten sie nicht allein auf militärische Stärke, vielmehr wurden auch Verträge mit potentiellen Gegnern zu einem wichtigen Instrument. Will man den Quellen glauben, dann versuchten die Invasoren, Teile der westgotischen Führungsschicht gegen Gewährung von Privilegien an sich zu binden. So wurde den Söhnen Witizas, den Widersachern des in der Schlacht am Guadalete getöteten Königs Roderich, vielleicht ein Teil des vormaligen königlichen Besitzes übertragen. Anderen überließ man die Herrschaft über ein kleines eigenes Territorium, wenn sie die muslimische Oberhoheit anerkannten. Erhalten ist ein solcher Vertrag vom April des Jahres 713 mit dem Westgoten Teudemir, der größere Gebiete in der Gegend des heutigen Murcia beherrschte. Abd al-Aziz ibn Musa ibn Nusair sicherte ihm die Befehlsgewalt über all seine bisherigen Ländereien zu. Darüber hinaus wurde festgesetzt, dass keiner seiner Untertanen getötet, versklavt oder von seiner Familie |57| getrennt werden durfte. Die Muslime verpflichteten sich zudem, christliche Gotteshäuser unangetastet zu lassen und keine Kirchenschätze zu rauben. Auch durfte kein Christ aufgrund seines Glaubens beleidigt werden. Im Gegenzug musste Teudemir den neuen Oberherrschern regelmäßig Abgaben zahlen, wodurch der Schutzvertrag überhaupt erst zustande kam. »Er und seine Leute«, so heißt es in dem Dokument, »müssen jährlich […] Abgaben entrichten«. Außerdem erklärte sich Teudemir bereit, sieben Städte an die muslimischen Invasoren abzutreten. Der Schutzvertrag verpflichtete den Westgoten zur Loyalität gegenüber der muslimischen Vertragspartei. So durfte er in seinem Herrschaftsgebiet weder Flüchtlinge aufnehmen, noch Feinden der Muslime Obdach gewähren oder Verbündete der Muslime bedrohen. Doch die Bestimmungen gingen über diese Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten noch hinaus. Als Bündnispartner sollte Teudemir sämtliche Informationen über feindliche Aktivitäten umgehend den Schutzherren zur Kenntnis bringen.
Bis 714 setzten Musa ibn Nusair und Tariq ibn Ziyad ihren Eroberungszug auf der Iberischen Halbinsel fort. Die neu gewonnenen Partner hielten ihnen den Rücken frei. Damit konnten sich die Invasoren zunächst auf die Einnahme strategisch wichtiger Städte konzentrieren, um im Eroberungsgebiet fest Fuß zu fassen. Von diesen Stützpunkten aus, waren sie erst einmal gesichert, ließ sich in der Folgezeit eine Herrschaft aufbauen. Manche Gegenden wie etwa das Umland von Toledo waren durch die Flucht der angestammten Bevölkerung weitgehend entvölkert und mussten wiederbesiedelt werden.
Der »Tisch des Königs Salomon« – Kernstück des westgotischen Staatsschatzes
Der Mythos um die verschollenen Schätze aus dem Tempel von Jerusalem, welche die Römer nach dessen Zerstörung 70 n. Chr. raubten, beflügelt bis heute die Fantasie. Das gilt vor allem für die Bundeslade, in welcher der Überlieferung nach die Gesetzestafeln aufbewahrt wurden. Der siebenarmige Leuchter, die
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