Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Peter Jankrift
Vom Netzwerk:
Menorah, und der Schaubrottisch sind auf dem Titusbogen in Rom dargestellt |58| und deutlich zu erkennen. Die Kultgeräte aus dem herodianischen Tempel waren geistliche wie weltliche Herrschaftssymbole von herausragendem Repräsentationswert. Für die Römer prunkvolle Zeichen ihrer überlegenen Macht, war der Besitz dieser Gegenstände seit der Christianisierung des Abendlandes zugleich mit Herrschaftsanspruch und -legitimation verbunden. Zahlreiche Legenden ranken sich seither um den Jerusalemer Tempelschatz, der möglicherweise längst in römischen Schmelztiegeln eingeschmolzen worden war. Eine dieser Legenden weiß zu berichten, dass der goldene Schaubrottisch während der Plünderung Roms im August 410 in den Besitz der Westgoten und so schließlich nach Toledo gelangte. Dieses auf göttliches Geheiß gefertigte Stück der Tempelausstattung (2. Mose 25,23–30) stellte seit dem Verschwinden der Bundeslade während der Plünderung Jerusalems im Jahre 586 v. Chr. das bedeutendste Kultgerät dar.
    Der »Tisch des Königs Salomo« bildete der Überlieferung zufolge das Kernstück des westgotischen Staatsschatzes, des herausragenden Herrschaftssymbols der Westgoten. Er repräsentierte die Souveränität der westgotischen christlichen Monarchen in der Nachfolge der von Gott erwählten Könige Israels. Der malikitische Jurist, Religionsphilosoph und Chronist Abd al-Malik ibn Habib al-Andalusi (780–852) liefert in seinem Geschichtswerk eine detaillierte Beschreibung des Tisches. Dieser zufolge bestand er aus reinem Gold und Silber und war reich mit Perlen, Juwelen und Smaragden verziert. Dem späten Bericht des arabische Geographen al-Idrisi (1100–1165) zufolge fielen den muslimischen Eroberern neben dem »Tisch des Königs Salomo« noch 192 goldene, edelsteinbesetzte Kronen, tausend königliche und mit Juwelen, Perlen und Rubinen verzierte Säbel sowie eine unbestimmte Zahl goldener und silberner Gefäße in die Hände. Die Bedeutung des Tisches für das westgotische Selbstverständnis war den Muslimen offenbar nicht nur bewusst, sie nahmen das Beutestück auch unter diesem Namen an und maßen ihm entsprechende Wichtigkeit bei. Die Aneignung der in Toledo aufbewahrten Symbole westgotischer Königswürde manifestierte die islamische Souveränität über al-Andalus
.
Nicht umsonst spinnt die islamische Tradition die Geschichte um die Geschicke des erbeuteten Tisches weiter. |59| Musa ibn Nusair und Tariq ibn Ziyad dürften über ihre Einbestellung nach Damaskus wenig erfreut gewesen sein. Die Reise von der Iberischen Halbinsel nach Syrien dauerte lange. Kein Dokumente berichtet darüber, welche Route die beiden Heerführer wählten. Wahrscheinlich setzten sie zunächst nach Ceuta über. Dort könnten sie ein Schiff bestiegen haben und entlang der nordafrikanischen Küste in den Levante gesegelt sein. Der ebenfalls mögliche Landweg hätte vermutlich eine längere Reisezeit in Anspruch genommen. Die Reise zog sich jedenfalls über Monate hin. Als Musa und Tariq schließlich ihr Ziel erreicht hatten, war Kalif al-Walid gestorben. Sein Bruder Sulaiman, der inzwischen die Herrschaft angetreten hatte, war dem Statthalter Musa offenbar weit weniger gewogen als der verstorbene Kalif. Hier begegnen wir der Legende vom »Tisch des Königs Salomon« wieder.
    Der legendären Überlieferung zufolge nahm Musa den kostbaren Tisch mit nach Damaskus. Dennoch fiel er beim Kalifen in Ungnade, weil er behauptete, das prächtige Stück selbst erbeutet und Toledo eingenommen zu haben. Tariq ibn Ziyad, der wahre Eroberer der westgotischen Hauptstadt, hatte jedoch in weiser Voraussicht eines der 365 Tischbeine als Beweis für seine Tat an sich genommen, habe dieses schließlich hervorgeholt und so die Wahrheit über den Verlauf der Ereignisse ans Licht gebracht. Die unbändige Wut des Kalifen entzündete sich weniger an einzelnen, wenn auch bedeutenden Beutestücken, als vielmehr an der Eigenmächtigkeit, mit der Musa den Feldzug auf der Iberischen Halbinsel geführt hatte. Zwar versöhnten sich Musa ibn Nusair und Kalif Sulaiman Abd al-Malik (reg. 715–17), der Statthalter von Afrika wurde aber trotzdem seiner Stellung enthoben. Sulaiman schickte ihn in eine der östlichen Provinzen der riesigen islamischen Welt. Dort starb Musa ibn Nusair wenig später.
    Auch die Hoffnungen Tariq ibn Ziyads erfüllten sich nicht. Anders als erwartet setzte der Kalif ihn nicht zum neuen Statthalter von Afrika ein. Das weitere Schicksal des siegreichen

Weitere Kostenlose Bücher